Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum in Köln Das Handwerk der Kunst

„Entdeckt“ gibt im Wallraf-Richartz-Museum in Köln Einblicke in die Arbeitsweise Kunstschaffender von Simone Martini bis Claude Monet. Das führt zu erstaunlichen Offenbarungen.

 Unbekannter Künstler: „Die Marter des Heiligen Laurentius“, gemalt in Öl auf Kalksinter, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud.

Unbekannter Künstler: „Die Marter des Heiligen Laurentius“, gemalt in Öl auf Kalksinter, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud.

Foto: RBA Köln

Kratzen, tupfen, ritzen, stricheln, spachteln, wischen, pünkteln – wenn die Einführungswerke zum Malen Techniken auflisten, geschieht das meist aus einem Füllhorn. Und die technischen Entwicklungen dürften noch nicht abgeschlossen sein. Der Blick zurück kann dagegen mit mancher Offenbarung verbunden sein, denn welches Verfahren in einem Bild angewendet wurde, was zu welcher Zeit schon möglich war, oder wer an einem Bild vorher, später oder zeitgleich mitmalte – alles das sagt etwas aus, das auf keinem Schild oder Bilderrücken steht, sondern Schicht für Schicht verborgen liegt.

Detektivische Spurensuche zwischen Tiegeln und Töpfen

„Entdeckt“ heißt die Schau, in der das Wallraf-Richartz-Museum (WRM) die Tricks der Meister enthüllt und eine Palette von der Gotik bis zum Impressionismus ausbreitet. Simone Martini und Claude Monet bilden die zeitliche Klammer. Dabei geht es weniger um Epochen oder Stilgeschichte, sondern um Einblick in das Handwerk der Kunst, quasi die detektivische Spurensuche über die Schulter hinein in die Werkstatt mit Tiegeln und Töpfen, auf Pinsel, Spachtel oder Messer, Öle, Kreiden, Farbpigmente bis hin zum Pfefferstreuer – den nutzte Édouard Vuillard, der alles Akademische ablehnte.

 „Die Marter des Heiligen Laurentius“ mit rückseitiger Beleuchtung durch die Abteilung Kunsttechnologie und Restaurierung im Wallraf.

„Die Marter des Heiligen Laurentius“ mit rückseitiger Beleuchtung durch die Abteilung Kunsttechnologie und Restaurierung im Wallraf.

Foto: RBA Köln

Für Iris Schaefer, die zusammen mit Anna Bungenberg und Caroline von Saint-Goerge kuratierte, geht es um „Indizien“, die mitunter erst beim Durchleuchten auftreten und ganz neue Rückschlüsse auf die Entstehungsgeschichte, beteiligte Künstler und Provenienz möglich machen. Der Kölner Maler Bartholomäus Bruyn der Ältere zum Beispiel malte um 1540 auf einem Altarflügel eine Stifterin und ihre Tochter im Vordergrund. Die Landschaft im Hintergrund und die Figur der heiligen Margarethe dagegen stammen aus anderer Hand. Nur zeichnerisch waren die Stifterinnen angelegt, was in der Ausstellung mit dem Blick auf die Unterzeichnung rekonstruiert wird. Seine erste Station machte das Bild in Utrecht, von dort aus ging es nach Köln, wo es Bruyn vollendete. Die Vorarbeit leistete vermutlich der wohl begabteste Schüler des Niederländers Jan van Scorel. Namentlich nicht identifiziert wird er als „Meister des barmherzigen Ritters“ bezeichnet.

Die Ausbildung nimmt einen breiten Rahmen in der Schau ein, dabei steht am beruflichen Anfang, der häufig im Kindesalter lag, immer das Zeichnen. Atelieratmosphäre schafft auch das WRM: Die Besucher können sich selbst an die Staffelei stellen und nach Gipsmodellen malen und zeichnen – mitunter nach lebendigen Modellen unter didaktischer Anleitung (sonntags 15 bis 17 Uhr, an jedem ersten Donnerstag im Monat 17-20 Uhr).

Der Griff zum Messer oder zum Malspachtel

Beim Gang durch die Säle gibt es jede Menge Inspiration: Barthaare wie aus Draht kratzte Jan Lievens mit der Feder. Gustave Courbet, Meister der Messermalerei, spachtelte auf der Leinwand, bis es plastisch wurde. Gabriele Münter verzichtete ganz auf den Pinsel und griff zum Malspachtel. Ermutigen dürfte die Atelierschüler, dass die Meister selbst mit sich rangen. Max Liebermann nahm sich seine „Rasenbleiche“ rigoros noch einmal vor, nachdem das Gemälde in der ersten Ausstellung verrissen wurde. Zwei Frauen verschwanden aus dem Bild, auf dem Rasen wurden noch mehr Laken ausgebreitet, mit dem Röntgenbild lässt sich jede Korrektur rückverfolgen.

Wilhelm Leibl zerschnitt seine Bilder kurzerhand, wenn sie ihm nicht gefielen, um Details wie eine Hand mit Nelke dann doch zu verkaufen.

Geändert wurde aber auch posthum. Während die Impressionisten aus Überzeugung darauf verzichteten, abschließend eine Firnis, einen Schutzanstrich aufzutragen, der ins Gelbliche gehen konnte, holten das andere nach. Das Gemälde „Drei Männer und ein Junge“ zeigt, wie die Graugrundierung als Mittelton half, im Malprozess Licht und Schatten schneller zu erzeugen. Nachdem das Bild 1968 von nachträglicher Übermalung befreit wurde, kamen Porträts der berühmten französischen Malerbrüder Lois, Antoine und Ma­thieu Le Nain zum Vorschein. Zuallererst aber waren Frauen zu sehen. Nun finden sich die Le Nains auf dem Plakat der Schau.

„Entdeckt“ – Maltechniken von Martini bis Monet, Wallraf-Richartz-Museum, bis 13. Februar. Dienstag bis Sonntag 10 – 18 Uhr

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