"Spectre" in der Kritik Das kann der neue Bond

Die Lizenz zum Töten gehört zu James Bond wie die magischen Momente des Kino-Klassikers: Verfolgungsjagden, Explosionen, Martini-Cocktails ("shaken not stirred"), schnelle Autos, schöne Frauen, mörderische Gegenspieler und die ultimative Aufgabe: in drei Minuten die Welt retten.

378 Figuren hat 007 in den offiziellen Bond-Filmen bisher getötet. Rekordhalter ist Pierce Brosnan (135), Daniel Craig brachte es bisher auf 53. Am Ende von "Skyfall" (2012), durfte man zweifeln, ob der britische Edelagent seine Trefferquote verbessern würde. Er war nach dem Tod von M (Judi Dench) ziemlich fertig. Dennoch erklärte sich Daniel Craig als 007 bereit für weitere Aufträge: "Mit Vergnügen."

Drei Jahre musste das Publikum warten, in "Spectre" - Kinostart am 5. November - kämpft der britische Edelagent in Mexiko-Stadt, Rom, Österreich, Marokko und London nun wieder gegen das Böse. Eine Organisation namens Spectre, angeführt vom diabolischen Franz Oberhauser (Christoph Waltz), plant ein System weltweiter Überwachung: George Orwells größter Albtraum würde Wirklichkeit.

"Spectre" hat alles, was ein guter Bond braucht: Spannung, spektakuläre Effekte, hinreißende Frauen, Humor und den Aston Martin DB 10. Die Tiefe von "Skyfall" erreicht das wiederum von Sam Mendes inszenierte neue Abenteuer nicht. So viel Schauspielhandwerkskunst wie in "Skyfall" war vorher noch nie in einem Bond-Film. Craigs Geheimagent erschien am Anfang wie ein todessüchtiger 007 - einer, der sich zur Abwechslung nach dem eigenen Tod sehnt. Judi Dench, die zentrale Frauenfigur, wurde von ihrer Vergangenheit heimgesucht. Jeder in diesem Film war auf seine Art gezeichnet.

"Skyfall" trug sozusagen die schwarze Kluft der Existenzialisten. "Spectre" bevorzugt einen Tom-Ford-Anzug: cool, lässig, ein Ausdruck von edlem Understatement. Der Film besticht durch meisterhaft komponierte Bilder (Kamera: Hoyte Van Hoytema) und Weltklasse-Effekte (Chris Corbould), aber er gibt nicht an mit seiner visuellen Brillanz. Sie ist eingebunden in eine perfekt choreografierte Handlung, die Bezug zu früheren Craig-Einsätzen als 007 besitzt und den Figuren Luft zum Atmen und zur Entwicklung gönnt. Die selbstironischen und geistreichen Dialoge sind so trocken wie Bonds Martini.

Wenn am Tag der Toten, dem "Día de los Muertos" in Mexiko-Stadt, mit Bonds tätiger Mithilfe ein Gebäude kollabiert, klopft der Agent den Staub vom feinen Anzug und bleibt dem Motto der Briten treu: "Keep calm and carry on." Nur nicht den Kopf verlieren. Das könnte ihm allerdings mit Madeleine Swann (Léa Seydoux) passieren, der Frau an seiner Seite in "Spectre". Die Französin lässt, dank spektakulärem Entree im marokkanischen Speisewagen, sofort ihre Kollegin Monica Bellucci vergessen. Bellucci hat zu Beginn Bonds römische Erfahrungen veredelt. Vesper Lynd, Bonds in "Casino Royale" verstorbene große Liebe, bekommt mit Madeleine Swann ernsthafte Konkurrenz.

Sam Mendes ist daran gelegen, im genretypischen Effektgewitter immer wieder Ruhephasen zu platzieren und Schauspielerkino zu inszenieren.Craig und Seydoux arbeiten an ihrer Beziehungs-Chemie, sie zeigt ihm Alternativen zum einsamen Agenten-Dasein auf. Christoph Waltz brilliert als irres Genie Franz Oberhauser. Waltz klingt immer etwas amüsiert, sanft, beinahe einladend freundlich. Er lädt ein zum Tanz mit dem Teufel. Ralph Fiennes fügt M immer mehr Charakterkonturen hinzu. Andrew Scott als aasiger Geheimdienst-Bürokrat profiliert sich als ebenbürtiger Gegenspieler. Bei Ben Whishaw als Q weiß man: Er muss nur den Mund aufmachen, und schon wird es witzig.

Regisseur Sam Mendes hält alle Fäden zusammen, im Großen wie im Kleinen. Ralph Fiennes, der auch schon Regie geführt hat, ist voll der Bewunderung: "It would scare the fuck out of me." Vornehm übersetzt: Fiennes hätte Heidenrespekt vor solch einer Aufgabe.

Am Mittwoch, 4. November, gibt es Previews von "Spectre". Offizieller Starttermin ist der 5. November. In Bonn in Kinopolis, Stern und Woki.

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