Das mattschwarze Tempelchen

Das WDR-Rundfunkorchester unter Helmuth Froschauer und Hans-Jürgen Schatz als Rezitator erinnern in der Bonner Beethovenhalle an die Magie des Grammophons in Thomas Manns Roman "Der Zauberberg"

  "Die Fülle des Wohllauts" , ein Kapitel aus Thomas Manns "Der Zauberberg", diente dem Konzert des WDR-Rundfunkorchesters als roter Faden.

"Die Fülle des Wohllauts" , ein Kapitel aus Thomas Manns "Der Zauberberg", diente dem Konzert des WDR-Rundfunkorchesters als roter Faden.

Foto: Frommann

Bonn."Die Hände gefaltet, den Kopf auf der Schulter, den Mund geöffnet", sitzt Hans Castorp vor dem Grammophon, und lässt sich "von Wohllaut überströmen". Der Abschnitt "Die Fülle des Wohllauts" aus dem siebten Kapitel gehört wohl zu den berühmtesten Passagen in Thomas Manns Roman "Der Zauberberg". Er erzählt davon, wie die Hauptfigur Hans Castorp dem Faszinosum Grammophon erliegt. Ihm wird das "mattschwarze Tempelchen", der "kleine Sarg aus Geigenholz" zur Ersatzgeliebten, die ihm gibt, was die Kasachin Clawdia ihm verweigert.

Einem Konzert mit dem WDR-Rundfunkorchester unter Helmuth Froschauer und Hans-Jürgen Schatz als Rezitator im Rahmen des Beethovenfestes lag dieses Kapitel als roter Faden zugrunde.

Die Zuhörer in der Beethovenhalle nahmen gewissermaßen vor einem imaginären Grammophon Platz, während Schatz mit feiner Diktion abschnittweise den leicht gekürzten Text las. Musikalisch klang das Thema der tragischen Liebe mit der Ouvertüre zu "La Traviata" an, es folgten Offenbachs Can-Can, Rossinis "Largo al factotum" mit dem markanten Tenor Marco Vassalli, Verdis "È strano" mit der Sopranistin Anke Hoffmann, und Offenbachs berühmte "Barcarole", mit der Hans Castorp die Gäste im Salon des Sanatoriums in die Liegekur entlässt. Endlich allein, versenkt er sich in "Blick ich umher" aus "Tannhäuser" (exzellent der Bariton Stephan Loges), und "O soave fanciulla" aus "La Bohème" (strahlend hell der Tenor Thomas Dewald zusammen mit Anke Hoffmann).

Unübertroffen geistreich, von leiser Ironie durchzogen, aber auch wunderbar tiefsinnig sind Thomas Manns Musikbeschreibungen. Diese kleinen Sprachkunstwerke zusammen mit der Musik zu genießen, machte den Reiz des Abends aus. Im zweiten Teil des Abends, der an Thomas Manns Todestag vor fünfzig Jahren erinnerte, wurden Castorps "Vorzugsplatten" aufgelegt, die dieser stets "mit gefalteten Händen" hört. Dramatische Kraft bewies die Mezzosopranistin Uta Christina Georg in der Szene "Je vais danser" aus Carmen.

Debussys "L'Après-midi d'un Faune" gilt Castorp als "Verneinung des abendländischen Aktivitätskommandos", was durch die zarte, glänzend ausgehörte Wiedergabe durch das Orchester unterstrichen wurde. Schließlich Schuberts "Lindenbaum", von dem sich Castorp so magisch angezogen fühlt, weil es vom Tod handelt. Stephan Loges Gesang zeichnete aus, was Thomas Mann dem unbekannten Sänger auf der Schellackplatte attestierte: "rezitatorische Umsicht und musikalisches Feingefühl". Dass man das Lied in der etwas schwerfälligen Orchesterbearbeitung hörte, war der einzige Wermutstropfen des Abends.

Weitere Informationen finden Sie in unserem Beethovenfest-Spezial.

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