Musikrat-Geschäftsführer Benedikt Holtbernd im Interview "Das Musikleben ist hier sehr vielfältig"

Bonn · Der künstlerische Geschäftsführer des Deutschen Musikrates möchte die Projektgesellschaft in Bonn sichtbarer machen und zum Beethovenjubiläum 2020 Akzente in der Stadt vom Pop-Camp bis zum Orchesterwettbewerb setzen. Mit ihm sprach Bernhard Hartmann.

 Benedikt Holtbernd, Geschäftsführer des Deutschen Musikrates, in seinem Bonner Büro.

Benedikt Holtbernd, Geschäftsführer des Deutschen Musikrates, in seinem Bonner Büro.

Foto: Horst Müller

Vor zwei Jahren sind Sie in Bonn als Künstlerischer Geschäftsführer des Deutschen Musikrates (DMR) angetreten. Fühlen Sie sich hier mittlerweile heimisch?
Benedikt Holtbernd: Ja. Das kann man sagen. Das Rheinland ist ein Land des Willkommens, der Offenheit. Ich fühle mich hier sehr wohl, in Bonn und in der Weberstraße...

... dem "Haus der Kultur", das auch den DMR beherbergt. Ihre künstlerische Heimat war zuvor die Oper. Packt Sie manchmal die Sehnsucht nach dem Theater?
Holtbernd: Ja, natürlich. Wenn man sein bisheriges Berufsleben in der Oper verbracht hat, ist das ganz natürlich. Aber womit ich mich jetzt beschäftige, ist die Musik, und das ist der Kernbestandteil der Oper. Insofern bin ich gar nicht so weit entfernt.

Wie empfinden Sie die kulturelle Atmosphäre in Bonn?
Holtbernd: Grundsätzlich sehr positiv, auch wenn gerade wegen des Festspielhauses eine große Diskussion entbrannt ist. Aber es gibt eine musikoffene Atmosphäre hier. Die Schulen sind, soweit ich das beurteilen kann, im Hinblick auf Musik sehr gut ausgestattet. Auch die Bonner Musikschule hat einen ausgezeichneten Ruf. Für eine Stadt dieser Größe ist das Musikleben hier sehr vielfältig und lebendig.

Fühlt sich der Deutsche Musikrat gut aufgehoben in Bonn?
Holtbernd: Wir fühlen uns schon sehr wohl an diesem Standort, aber wir könnten in der Stadt auch noch viel präsenter sein. Ich habe das Gefühl, dass wir nicht in dem Maße wahrgenommen werden, die der Leistung, die wir auch für die Bevölkerung einbringen, entspricht. Hier ist eine Institution, die für die ganze Bundesrepublik tätig ist, die vom Familienministerium und der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien sowie der Kultusministerkonferenz der Länder gefördert wird und von Bonn aus ausstrahlt. Uns kommt es sehr entgegen, dass es hier auch andere Bundeskultureinrichtungen wie die Bundeskunsthalle und das Haus der Geschichte, das vom Bund geförderte Beethoven-Haus und das überregional ausstrahlende Beethovenfest gibt. Diese wichtigen Institutionen haben die Stadt nach dem Bonn/Berlin-Beschluss geprägt. Und da können wir uns gut einbinden.

Woran liegt die schwache Wahrnehmung in Bonn?
Holtbernd: Ein Grund ist, dass unsere hervorragenden Projekte zwar einzeln für sich wahrgenommen werden, aber nicht in ihrer Gesamtheit und ihrer Beziehung zum Musikrat.

Zum Beispiel?
Holtbernd: Den Wettbewerb "Jugend musiziert" kennt jeder in Deutschland. Aber nur wenige wissen, dass er ein Projekt des Deutschen Musikrats ist. Das Bundesjugendorchester (BJO), das von der Stadt Bonn dankenswerterweise mit Fördergeldern unterstützt wird, ist sehr bekannt. Aber dass dieses Orchester ebenfalls zum Deutschen Musikrat gehört, wissen auch nur wenige.

Wo gäbe es da Anknüpfungspunkte in der Stadt?
Holtbernd: Die Zusammenarbeit mit der Bundeskunsthalle ist da ein gutes Beispiel. Hier bemühen wir uns immer, das jeweilige Programm des Auftaktkonzertes zur Wintertournee des Bundesjugendorchesters im Forum der Halle auf die aktuellen Ausstellungen auszurichten. In diesem Jahr waren wir mit Musik aus Stanley Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum" da, als gerade die Ausstellung "Outer Space" lief. Wenn man so etwas zusammenbringt, sieht das Publikum, dass es in Bonn ein Musikleben gibt, das vom Deutschen Musikrat mit geprägt wird.

Zum Campuskonzert der Deutschen Welle beim Beethovenfest wird das Bundesjugendorchester ebenfalls kommen.
Holtbernd: Ich freue mich sehr darüber, dass das Konzert möglich wird. Das Orchester wird eine ganze Woche mit einer Arbeitsphase in Bonn sein, ist dort quasi "in residence", um die Uraufführung des neuen Werkes der chinesischen Komponistin Zulan beim Beethovenfest vorzubereiten. Das ist ein großartiges Zeichen.

Auch ohne Festspielhaus wird Bonn als Beethovens Geburtsstadt bei den Feierlichkeiten zu seinem 250. Geburtstag eine wichtige Rolle spielen müssen. Wie wird sich da der Musikrat einbringen?
Holtbernd: Das halte ich für eine unserer ganz wesentlichen Aufgaben. Das Beethovenjubiläum wurde im Koalitionsvertrag als eine nationale Aufgabe festgeschrieben. Weil wir als Deutscher Musikrat Projektgesellschaft unseren Sitz in Bonn haben, aber für das Musikleben in ganz Deutschland tätig sind, sind wir eine Verknüpfungsstelle für das Jubiläum. Wir sind in beiden Gremien, von Stadt und Bund, die das Jubiläum koordinieren, vertreten. Wir suchen die ganz enge Zusammenarbeit mit dem Beethoven-Haus und den anderen Kulturinstitutionen hier in der Stadt, die auch den Bundesauftrag haben, und wir werden mit all unseren Projekten in dieses Beethovenjubiläum gehen und verschiedene Schwerpunkte setzen.

Wie sieht das konkret aus?
Holtbernd: Das BJO hat drei Arbeitsphasen im Jahr. Und wir werden alle drei Arbeitsphasen auf Beethoven ausrichten. Nicht dass wir alle Beethoven-Sinfonien aufführen. Das ist für unsere Projekte nicht sonderlich interessant. Aber seine Musik wird in die Arbeit hineinwirken. Wir werden mit der Deutschen Welle zusammenarbeiten und planen gemeinsame Veranstaltungen mit dem Beethoven-Haus, dem Beethovenfest, der Bundeskunsthalle und anderen Kulturinstitutionen der Stadt.

Der Deutsche Musikwettbewerb findet ja eh schon in Bonn statt?
Holtbernd: Ja, glücklicherweise wird der Wettbewerb turnusmäßig alle zwei Jahre hier ausgetragen. Aber wir holen auch die anderen Wettbewerbe nach Bonn, zum Beispiel den Orchesterwettbewerb. Da kommen allein 5000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Auch dort werden wir einen Schwerpunkt auf das Thema Beethoven legen. Genauso wie mit dem Bundesjazzorchester oder dem Pop-Camp. Eine Band hat bereits Überlegungen angestellt, sich mit der Missa solemnis auseinanderzusetzen. Das finde ich aufregend. Alle unsere Projekte sind darauf eingestimmt, sich einzubringen. Der Deutsche Musikrat steht für Klassik, Jazz, Pop und zeitgenössische Musik, er steht für die Förderung von Jung und Alt von Profis und Laien, es wird die Breite und die Spitze gefördert. Und mit all diesen Kraftfeldern werden wir uns ins Jubiläum einbringen.

Zur Person

Der ausgebildete Sänger und promovierte Musikwissenschaftler Benedikt Holtbernd wurde 1962 in Bottrop geboren, war u.a. Dramaturg an Theater- und Opernhäusern in Würzburg, Düsseldorf und Bern. Nach seiner Funktion als künstlerischer Betriebsdirektor an der Dresdner Semperoper war er zuletzt in Schwerin künstlerischer Berater des Intendanten. Seit 2013 ist Holtbernd künstlerischer Geschäftsführer beim Deutschen Musikrat.

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