Das "Olé!" klingt hier fast wie Halleluja

Aus Folklore ist Pop geworden: Joaquín Cortés tanzt in der restlos ausverkauften Beethovenhalle und das Publikum ist entzückt

Bonn. Wie Wasser für die ausgetrocknete Erde verteilt er seinen Schweiß, der mit jeder Drehung aus den schulterlangen, nach anderthalb Stunden Hochleistungs-Tanz klatschnassen Haaren auf der Bühne verteilt wird. Der "Dünger" hat den Flamenco erblühen lassen. Eine wilde, kräftige Pflanze, deren Wurzeln sich tief in der südspanischen Folklore finden.

Doch gepflegt und veredelt werden ihre Triebe von Joaquín Cortés wie von keinem anderen. Und nie erschienen sie so ehrlich, zeitgemäß und aktuell wie in seiner Darstellung. Da kommen die Körperbeherrschung und Kondition des attraktiven Tänzers mit dem Temperament und der Ästhetik der Darstellung auf einen Nenner. Mit der Präzision eines Metronoms tackern seine Absätze den Rhythmus seines feurigen Taranto oder der Seguiriya in den Boden. Er lächelt, atmet ruhig, ohne nach Luft zu ringen. Und nur der Schweiß verrät, dass es ihn doch Anstrengung gekostet hat.

Als Zwölfjähriger wurde er in das spanische Nationalballett aufgenommen. Heute, 21 Jahre später, hat Cortés bereits eine lange Strecke auf dem Solo-Weg hinter sich. Seine Bühnenshow "Live" hatte im Tivoli Theater in Barcelona im März vergangenen Jahres Premiere.

Nach dreijähriger Tournee-Abstinenz war Joaquín Cortés jetzt auch "Live" in der restlos ausverkauften Beethovenhalle zu erleben.

Sein Tanz wird schnell zum Bekenntnis. Flamenco ist zu seiner Lebensaufgabe geworden, und er wird von seinen Anhängern derweil bereits als die Zukunft des spanischen Nationaltanzes schlechthin gesehen. Er tanzt aus innerer Überzeugung und einer großen Liebe zum Flamenco. Seine Darstellung erscheint nicht selbstverliebt oder inszeniert, wenngleich das Zusammenspiel mit seinen 20 Musikern und Sängern (zur Original-Musik von Joaqu¡n Cortés und Juan Parrilla) bis ins letzte, rhythmische Detail aufeinander abgestimmt ist.

Aus Folklore ist Pop geworden. Und sein Publikum pilgert geradezu in seine Shows, um den Exoten zu bewundern, anzuhimmeln und zu immer neuen Zugaben zu verlocken. "Olé!" rufen seine Fans, und fast klingt es so, wie "Halleluja".

Und die Anmut, Demut und Dankbarkeit, die Cortés seinem Publikum zurückgibt, verzückt.

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