Ausstellungsprojekt in Remagen Das Schaf und die Kunst

Remagen · Das Arp Museum Bahnhof Rolandseck kooperiert im Jubiläumsjahr mit der Henry Moore Foundation nördlich von London. Ein Besuch im Grünen.

Das ist Zen-Meditation für Augen und Seele: Im Schatten einer monumentalen, wie ein Findlingspaar anmutenden Skulptur von Henry Moore (1898-1986) kauern und dösen Schafe. Manches dieser wolligen Exemplare reibt sich wohlig an der Kunst. Moore selbst verehrte Schafe als „very sculptural creatures“, freute sich, wenn sie ihm durchs Fenster beim Arbeiten im Atelier zusahen, hat unzählige Schafe gezeichnet. Man könnte sich Pink Floyd als idealen Soundtrack für diese südenglische Pastorale vorstellen – am liebsten und passend natürlich „Sheep“, 1977 im Konzeptalbum „Animals“ erschienen. Moores Skulptur von 1971-72 heißt „Sheep Piece“ und ist verwandt mit den „Large Two Forms“, die der international renommierte Brite 1979 zusammen mit Bundeskanzler Helmut Schmidt vor dem Bonner Bundeskanzleramt enthüllte.

Rund 50 Kilometer nordöstlich von der Londoner City treffen wir auf Moores Idylle im Grünen, die adäquat Perry Green heißt und seit 40 Jahren einen Teil der Henry Moore Foundation beherbergt: „Henry Moore Studios & Gardens“; Teil zwei der Foundation liegt in Leeds, widmet sich der Forschung.

Henry und Irina Moore waren noch während des Zweiten Weltkriegs, nachdem ihre Wohnung in Hampstead von einer Bombe getroffen wurde, von London ins Dörfchen Perry Green unweit von Much Hadham, Herfordshire, gezogen. Sie wohnten dort in einem Bauernhaus Namens „Hoglands“. Die Keimzelle für die heutige Moore Foundation: Der Bildhauer erweiterte das Häuschen, kaufte Äcker hinzu und Schuppen, die er zu Ateliers umfunktionierte. 1977 rief er die Stiftung ins Leben, die heute 14 000 Objekte umfasst, darunter Dutzende Großskulpturen, die auf dem 28 Hektar umfassenden Park und den angrenzenden Wiesen stehen. Das Moore-Archiv umfasst rund eine Million Dokumente und 500 000 Fotografien. Im Schnitt besuchen 40 000 Menschen jährlich die „Gardens & Studios“ mit den Skulpturen im Freien und den Ausstellungspavillons.

Aktuell läuft die hochinteressante Schau „Becoming Henry Moore“, die das Werk des jungen Bildhauers von 1914 bis 1930 spiegelt. Der Besucher erfährt hier, welche Kollegen Moore inspirierten und sieht dann auf der Freifläche, welche Ideen erst später ins Großformat übertragen wurden.

Einen besseren Partner für seine Geburtstagsschau (28. Mai 2017 bis 7. Januar 2018) hätte das Arp Museum in Rolandseck nicht finden können: Für seine Ausstellung „Henry Moore. Vision. Creation. Obsession“ kooperiert das vor zehn Jahren mit dem Meier-Bau neu eröffnete Museum mit der Moore-Stiftung.

Skulpturen treffen per Tieflader ein

Es ist die größte Ausstellung in der Geschichte des Hauses. Sie wird sich vom Vorplatz, wo der Besucher von Moores neun Meter breiter „Large Reclining Figure“ empfangen wird, einmal quer durchs Museum bis hinter den Meier-Bau erstrecken. Die Foundation hat sich mit Leihgaben äußerst spendabel gezeigt, was dem Arp Museum eine spektakuläre Ausstellung ermöglicht, die die auch sehr sehenswerten Ausstellungen in Tony Craggs Garten Wuppertal und im Landesmuseum Münster, die im vergangenen Jahr eröffnet wurden, deutlich überflügelt.

Am Dienstag sollen die ersten Tieflader aus Perry Green mit Moores Kunst eintreffen. Ein Riesenkran steht bereit, um die tonnenschweren Objekte zu installieren. Präsentiert werden mehrere Dutzend Großskulpturen des Bildhauers, einige wenige im Außenraum, das Gros in der lichten Architektur von Richard Meier. Dass Moore sich für die Meister der italienischen Gotik und Renaissance sowie die Kunst des 19. Jahrhunderts interessierte, wird in der Kunstkammer Rau thematisiert, die aus ihrem reichen Fundus schöpfen kann. Moore selbst hat etwa Skulpturen der Renaissance und Werke von Gustave Courbet gesammelt.

Ein weiteres Kapitel widmet sich dem Patron des Hauses, Hans Arp, mit dem Moore befreundet war – 1936 stellten sie etwa gemeinsam in der Londoner Surrealisten-Ausstellung aus. Im Rahmen eines „Rendezvous des Amis“ werden Arp und Moore in Rolandseck aufeinandertreffen. 1977 hatte Moore in Johannes Wasmuths Künstlerbahnhof eine Grafik-Ausstellung, 1978 ließ er eine Großskulptur vor dem Bahnhof Rolandseck aufstellen, die später wieder verschwand. Im Herbst 1979 posierte er im Festsaal des Bahnhofs für den Fotografen Lothar Wolleh. Anschließend fuhr er zu Helmut Schmidt nach Bonn, wo beide die „Large Two Forms“ vor dem Kanzleramt enthüllten. Auch dieses durch „Tagesschau“ und Co. bundesweit berühmteste Werk des Briten wird in der Rolandsecker Schau von allen Seiten beleuchtet.

Museumschef Oliver Kornhoff verspricht eine umfassende Retrospektive. Zu der sollen sogar Schafe gehören. Er hat eine Schäferin mit ihren Tieren engagiert. Die Schafe werden sich hinter dem Meier-Bau um „Three Piece Sculpture: Vertebrae“ tummeln. Daran reiben dürfen sie sich aber nicht.

Die Henry Moore Foundation kann in Perry Green besucht werden. Informationen: www.henry-moore.org. Die Moore-Ausstellung im Arp Museum Rolandseck läuft vom 28. Mai 2017 bis 7. Januar 2018

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort