Bundeskunsthalle Das Schicksal der Irokesen

Bonn · Wilder Mann - was nun? Mit einem Klischee empfängt die Bundeskunsthalle den Besucher, der gleich im Entree der Ausstellung von einem stürmischen Irokesen-Kämpfer in voller Kriegsbemalung empfangen wird.

Im Hintergrund-Comic geht es rund: "Attacke" steht in einer zackigen Textblase. Illustriert wird eine Sequenz aus dem "Wildtöter" (1841), Band fünf von James Fenimore Coopers legendärem "Lederstrumpf"-Zyklus. Kein Werk hat das Bild des wilden, mutigen Irokesen intensiver geprägt. Ein Mythos wurde damals geboren.

Der zweite Irokesenmythos spielt sich hoch über unseren Köpfen ab und wurde 1932 in dem berühmten Reuters-Foto "Lunch atop a Skyscraper" zementiert, das auf einem Stahlträger sitzende Arbeiter über den Dächern von Manhattan bei der Mittagspause zeigt. Die "Mohawk Iron Workers", die einem Stamm der Irokesen angehörten, galten als furchtlos und schwindelfrei.

Andrian Kreye zitiert in seinem New-York-Buch Kyle Beauvais aus dem Mohawk-Reservat Khanawake in Quebec: "Natürlich haben wir Angst, wir können nur offensichtlich besser damit umgehen."

Zwischen Klischee und historischer Wahrheit, Idealisierung und Zerrbild bewegt sich die Ausstellung "Auf der Spur der Irokesen", nach Angaben der Bundeskunsthalle die erste Schau über diese Indianer-Nation im heutigen Grenzgebiet zwischen USA und Kanada, südöstlich des Ontario-Sees.

[kein Linktext vorhanden]Im 15. Jahrhundert hatten sich die Mohawk, Oneida, Onodaga, Cayuga und Seneca zu einer Irokesen-Liga zusammengefunden, der sich später die Tuscarora anschlossen. Die Mitglieder des Bundes nannten sich "Haudenosaunee" (Leute des Langhauses). Das Stammesgebiet reichte etwa vom Lake Champlain (US-Staat Vermont) bis zum 500 Kilometer entfernten Rochester (New York). Heute leben rund 120 000 Irokesen in neun Reservaten.

Die leider staubtrocken, sehr akademisch arrangierte Schau wühlt sich recht mühevoll durch das komplexe Terrain; man wünschte sich eine Locker- und Sinnlichkeit, die die wunderbare James-Cook-Ausstellung von 2009 zum anschaulichen Forschungs- und Wissensabenteuer machte. Es braucht viel Energie und Stehvermögen, sich von den Schöpfungsmythen der Irokesen bis zu deren Niedergang im 19. und dem Aufbäumen im Zuge einer erwachenden indigenen Identität im 20. Jahrhundert durchzuarbeiten. Aber es lohnt sich (wobei der Katalog essenzielle Hilfestellung bietet).

Minutiös dokumentieren 500 Exponate, die zu zwei Dritteln aus Kanada und den USA kommen, wie Irokesen lebten, sich in ihren Gebieten behaupteten, mit Holländern, Engländern, Franzosen, später dann Amerikanern kämpften, wie wenig sie die Einbrüche in ihre Kultur durch Pelzhändler und Missionare verkrafteten. Zeugnisse und Dokumente ihrer Geschichte begegnen in der Ausstellung Kommentaren zeitgenössischer Irokesen-Künstler.

Es entsteht ein heterogenes Bild, geprägt von der imperialen Pose der Häuptlinge, die die Auftraggeberin Queen Anne 1710 von John Verelst porträtieren ließ, dem trotzigen Stolz derer, die sich 1990 während der "Oka-Krise" der kanadischen Armee in den Weg stellten, sowie der Unterwerfung als "Edler Wilder" im Historiengemälde von Benjamin West (um 1764).

Szenen unglaublicher Brutalität sind zu sehen, Bilder, die den Terror der Irokesenkrieger fein gerahmt in bürgerliche Wohnzimmer transferierten, wo die Legenden weitergesponnen wurden. Waffen wie die Kugelkopfkeule, Messer und Tomahawks sowie Seile zum Fesseln und Abführen von Gefangenen lassen keinen Zweifel daran, dass die Irokesen, die privat wohlgeordnet in Langhäusern logierten (zu besichtigen auf dem Museumsplatz), Fremden gegenüber eine deutliche Sprache beherrschten.

Letztendlich aber ging es begrab mit der stolzen Irokesen-Liga, deren Mitglieder, eines Großteils ihrer Länder beraubt, bald nur noch Souvenirs an Besucher der Niagara-Fälle verkaufen konnten, wie die Projektleiterin Henriette Pleiger verrät. Dabei mussten sie sich sogar dem Markt anpassen, Kitsch und Perlengesticktes anbieten, eine ihnen eher fremde Kultur. Immer weiter wurden die Irokesen in die folkloristische Ecke gedrängt (siehe Text unten).

Kein Wunder, dass da mancher ehemalige Krieger lieber aufs Stahlgerüst über Manhattan steig.

Bundeskunsthalle, Friedrich-Ebert-Allee 4; bis 4. August. Di, Mi 10-21, Do-So 10-19. Katalog 32 Euro.

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