Zurück in die Zukunft Das zeigt die Ausstellung „Velvet“ in der Galerie Gisela Clement

Bonn · Die Ausstellung „Velvet“ von Martin Pfeifle in der Galerie Gisela Clement ist abenteuerlich. Es weht dort ein Hauch von Science-Fiction.

 Werke von Martin und Karl H.A. Pfeifle in der Galerie Clement.

Werke von Martin und Karl H.A. Pfeifle in der Galerie Clement.

Foto: Clement

Was passiert, wenn sich Martin Pfeifle mit seiner eigenen künstlerischen Vergangenheit befasst – was er mitunter gerne tut – oder, wie im Fall seiner aktuellen Bonner Ausstellung „Velvet“, in den eigenen Keller steigt und dort auf den abenteuerlich gemusterten Teppich „Supermag“ trifft? Er freut sich, ist fasziniert und wird zu Neuem inspiriert: „Da fängt man an, vor sich hinzuspinnen“ , erzählt er. Und dann entsteht so ein optisch gewagtes, irgendwie aus der Zeit gefallenes Ensemble wie es gegenwärtig in der Galerie Gisela Clement zu sehen ist, die dem 1975 in Stuttgart geborenen Pfeifle bereits die zweite Soloschau widmet. Dass sich der Schüler von Tony Cragg und Hubert Kiecol (Düsseldorf) auf die Organisation von Innen- und Außenräumen versteht, ein großes Gespür für Proportionen und Dimensionen hat, zeigte er unter anderem im Bonner Projekt der Miwo-Reihe „kunstundwohnen“, bei der er seine gestreiften „Rado“-Würfel in großer Zahl als soziale Skulptur zur Verfügung stellte.

Rückblick auf zehn Jahre

Aber auch die „Slash 2010“-Vorhänge in der Villa Romana, die Lichtinstallation mit 80 Leuchtstoffröhren im achteckigen Treppenhaus der  Nürnberger Sammler Kerstin Hiller und Helmut Schmelzer, das „Goldrausch“-Ensemble in der Villa Merkel, Esslingen oder die vielfach nutzbare wellenartige Parkbank „Onda“, die mehrfach zu sehen war (unter anderem 2017 auf dem Clement-Stand der Cologne Fine Art), beweisen, wie sensibel und fantasievoll, originell und facettenreich Pfeifles dreidimensionale Überraschungen sind. Und so entpuppt sich der gerade bei Wienand erschienene Werkkatalog der letzten zehn Jahre als wahre Wundertüte. Unbedingt lesenswert auch die Einordnung der Herausgeberin Isabel Hufschmidt: „Wer schießen will, der soll schießen, und nicht quatschen“, überschreibt sie ihren Beitrag. Und weiter: „Bildhauerei wie ein Italio-Western (latenzfrei).“

Ein Hauch von Science-Fiction

Die aus roten, pinken und weißen Bahnen bestehende Auslegeware „Supermag“, die auch mal die Wand hochkrabbeln kann, findet sich nicht in  Hufschmidts Kompendium. „Sie ist zu alt“, sagt Pfeifle über die 2007 entstandene Arbeit, die er, wie gesagt, im Keller fand. Und die er, vielleicht weil sie wie ein Pop-Art-Display aus den späten 1960er Jahren anmutet, mit den wunderbaren Science-Fiction-Plänen seines Onkels Karl H.A. Pfeifle kombiniert. 1968 entwickelte er „Megazell“, eine Struktur zwischen Erde und Mars. Die beiden Pfeifles organisieren zusammen eine faszinierende Zeitreise zurück in die Zukunft.

Der zweite große Raum des Galeriehauses in der Lotharstraße  wird von einem brandaktuellen Ensemble gefüllt, in dessen Mitte der Nachfolger des nicht mehr produzierbaren Rado-Würfels zu einem achtteiligen, asketisch-geometrischen, nicht sonderlich bequemen „Elki“-Sofa gruppiert ist. Der neue Würfel ist aus Kunstleder und diagonal schwarz-weiß gemustert. Die fast raumhohe zylindrische Stele „Smintheion“ mit grellen LED-Röhrenlampen sorgt für ein kühles, keimfreies, OP-artiges  Ambiente. Pfeifles ironische Umdeutung eines heimeligen, gemütlichen Interieurs in einen aseptischen Raum wird durch den Wandschmuck gekrönt: Opake oder dunkle Felder im grasgrünen Rahmen lassen keinen Ausblick, keine Spiegelung zu. „Ich schaue in die Welt“, heißen die Bilder. Es ist ein Blick ins Nichts.

Auf die Zeitreise in die 1960er und gleichzeitig in die Zukunft mit „Supermag“ und „Megazell“ folgt also bei Pfeifle eine eher pessimistisch-sarkastische Bestandsaufnahme einer Gegenwart im geschlossenen Raum,  in der ein vertikales Solarium („Smintheion“) echtes Leben suggeriert. Stark  inszeniert.

Vorbei an „Helmut“, einer heiteren, bunten, in Sprühfarbe auf Papier ausgefühtren Arbeit im Treppenhaus, kann man die düsteren Gedanken sacken lassen.

Galerie Gisela Clement, Lotharstraße 104; bis 1. April.  Mi-Fr 14-18, Sa 13-17 Uhr und nach Vereinbarung. Im Wienand-Verlag ist Martin Pfeifles Werkkatalog „Rexxx“ erschienen (38 Euro).

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