Delikate Spielwiese für Spezialisten in Kölner Philharmonie
KÖLN · Dirigent David Zinman und der Bariton Christian Gerhaher haben beim Konzert des Sinfonieorchesters in der Kölner Philharmonie überzeugt.
"Das Lied von der Erde" kennt verschiedene Lesarten, die für Tenor, Alt und großes Orchester dominiert die Konzertpraxis. Jetzt besetzte das WDR-Sinfonieorchester die Altposition mit dem Publikumsliebling Christian Gerhaher, einem samtenen Bariton. Der jubelnde Schlussapplaus goutierte nachhaltig den Erfolg dieser Variante.
Zunächst lag aber im WDR-Konzert in der Kölner Philharmonie die Kammersinfonie von Franz Schreker auf den Pulten eines sonderbaren Kammerorchesters. David Zinman, agiler amerikanischer Dirigent, dem sein Jahrgang 1936 nicht anzumerken war, leitete dieses exotische Sammelsurium aus allen Instrumentenfamilien, einer abstrusen Mischung aus Blech, Holz, Streichern und Schlagwerk, erweitert um Harfe, Harmonium, Celesta und Klavier. Beim ersten Aufblühen im Tutti überwältigte gleich die einzigartige Farbe dieses Klangkörpers, dessen Mixtur aus dem damals zur Verfügung stehenden Akademie-Orchester resultierte.
Die Sinfonie entstand noch vor der Oper "Der ferne Klang", die den Namen Schreker nach 1912 berühmt machte. Die Kammersinfonie basiert auf einem vertikalen Klangprinzip, Akkorde und Farbmischungen sind Thema. Soghaft entwickelt sich der breite Fluss aus spätromantischer Harmonik, aus der kleine Episoden solistischer Melodien abzweigen - die neben den Orchestersolisten auch den Konzertmeister José Maria Blumenschein klangvoll in Szene setzte.
Für Mahlers "Lied von der Erde" mussten reichlich Stühle und Pulte auf dem Podium nachgerüstet werden. Zinman nutzte dieses neue Klangformat und ließ sein Orchester im "Trinklied vom Jammer der Erde" gleich richtig ausgelassen poltern. Der lyrische Tenor Christian Elsner musste entsprechend aufdrehen, um sich durchzusetzen. Der Tenor steht dreimal in der Pflicht, um Leben und Tod "gegen" das Orchester anzusingen.
Dafür hat Mahler die Altpartie beziehungsweise diesmal den Bariton perfekt gebettet. Eine delikate Spielwiese für den Spezialisten Gerhaher, dessen Gestaltungskunst hier gefragt war. Seine noble Stimmkultur hauchte jeder Note ein eigenes kleines Leben ein, Mahler hätte es gefallen: Der Perfektionist hat sein Werk selbst nie gehört.