Gürzenich-Orchester zum Reformationsjubiläum Der Crash der Gefühle

Köln · Musik vertreibt den Teufel, so mutmaßte Martin Luther. Zum Jubiläum 500 Jahre Reformation widmete das Gürzenich-Orchester und mehrere Kölner Chöre das 2. Abo-Konzert auf gleich drei Arten: Mit Feuerwerk aus blinkendem Blech, mit aufwühlend emotionalen Orchesterklängen und mit alles überstrahlendem Gottvertrauen.

 Hartmut Haenchen leitet das Gürzenich-Orchester.

Hartmut Haenchen leitet das Gürzenich-Orchester.

Foto: Thomas Brill

Gastdirigent Hartmut Haenchen verband Händel, Zimmermann und Mendelssohn. Haenchen engagiert sich für mehr als Musik allein. Sein Projekt "War & Peace" umfasste in drei Jahren mehr als 30 Konzerte und Opernaufführung zu diesem Thema weltweit und stellt nur konsequent Zielpunkt eines konsequent politischen Wirkens dar.

Wie er jetzt bei der eröffnenden Feuerwerksmusik von Händel den riesigen Orchesterapparat mit unter anderem neun Hörnern, acht Oboen und sechs Trompeten vibrierend auf Touren brachte, war eine eigene Show des Dirigenten. Er ließ auch die Orgel mitertönen. Sie setzte den vollgriffigen Eröffnungsschlag und schuf damit eine Klammer für die Dramaturgie des Gesamtpogramms.

Zimmermanns "Sinfonie in einem Satz" als erste Kölner Verortung und als Vorgriff auf den runden Geburtstag des Komponisten springt auf der Zeitschiene 200 Jahre nach vorn in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese Musik ist "vom Ausdruck bestimmt", wie er selbst sagt. Hier klingt der Paukenschlag wie ein Crash der Gefühle, düster schleichende Grundfarben wechseln zu nervösem Lodern. Zimmermann selbst findet das Wort für diese reflektierende Zeitanalyse: "Ungeborgenheit".

Wirkungsvoll geriet der Hauptgang nach der Pause: Mendelssohn verbindet in seiner Sinfonie-Kantate "Lobgesang" großes Sinfonieorchester mit Chorfinale. In der Philharmonie lauschten 260 Sängerinnen und Sänger dem instrumentalen Jubilieren und Lobpreisen in den ersten Sätzen. Bach-Verein, Gürzenich-Chor, Kartäuser-Kantorei, Oratorienchor und die Chöre am Kölner Dom atmeten gemeinsam vor ihrem eindrucksvollen Tuttieinsatz mit "Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!"

Die Damenstimmen auf der Empore und die Herren auf der Bühne fanden zu einem machtvollen und trotzdem gepflegten Mischklang, das ergab Kraft für ein beachtliches Fest. Wunderbar gelungen sind Mendelssohn die Sätze von Chor und Solisten, Anna Lucia Richter, Esther Dierkes und Patrick Grahl bildeten das junge Solo-Team, deren Flehen und Harren zunächst von den Chorstimmen gebettet und irgendwann enthusiastisch überspült wurden.

Dieser dynamische Puls gipfelt in dem Gruß an den neuen Tag, der den Start für ein zündendes Finale vom a-cappella-Chor über ein Duett zu posaunengestärktem Schlusschor anregt - mit Haenchen im Galopp für ein tolles Finish. Da ertönten Bravi wie in der Oper.

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