Ausstellung in Köln Der Designer mit dem absoluten Auge

Köln · Wie der Grafiker Willy Fleckhaus Zeitgeist forciert und verpackt hat, zeigt nun erstmals das Kölner Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK)

 Als Ikonen des Zeitschriftendesigns gelten die von Willy Fleckhaus gestalteten Doppelseiten des F.A.Z.-Magazins.

Als Ikonen des Zeitschriftendesigns gelten die von Willy Fleckhaus gestalteten Doppelseiten des F.A.Z.-Magazins.

Foto: Thomas Brill

Die besten Ideen kamen ihm immer in der Badewanne“, erinnert sich Tochter Nele an Willy Fleckhaus (1925-83). Und diese Ideen haben die junge Bundesrepublik von den 50er bis 80er Jahren visuell in die Moderne gekippt. Wie dieser Mann Zeitgeist forciert und verpackt hat, zeigt nun erstmals das Kölner Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) in der Schau „Willy Fleckhaus – Design, Revolte, Regenbogen“.

Der Münchner Kurator Hans-Michael Koetzle ist zugleich größter Leihgeber der mit 350 Exponaten bestückten Schau über den Zeitschriften-Designer, Buchgestalter (Suhrkamp!) und Plakatkünstler. Berühmt-berüchtigstes Werk ist dabei gewiss das 1959 in Köln gegründete (und zunächst bei M. DuMont Schauberg gedruckte) Jugendmagazin „twen“, das seinen Namen einer bei Wormland auf der Hohe Straße ausgestellten Jeans verdankte.

Weißer Titel auf schwarzem Grund, dazu gleich die Story „Sechs Mädchen über Sex“: Das neue Blatt legte so sinnlich-provokant und lebenslustig los, dass es vorsichtshalber als „Sonderheft Nr. 1“ bezeichnet wurde. Zehn Jahre später war „twen“ – bei Konservativen als Kulturschande geächtet, bei Progressiven gefeiert – immer noch da. Auf dem Cover posierte Uschi Obermaier: „Miss Kommune und ihr Leben zu Acht.“

Großen Anteil am Kultobjekt hatte Willy Fleckhaus. Auf der Kölner photokina entdeckte er Talente wie Horst H. Baumann oder Roger Fritz, die er dann auf Bilderstrecken leuchten ließ.

Allerdings ohne musealen Respekt vor dem Original, das er beschnitt, konterte, rasterte – Hauptsache, der Effekt stimmte. Begeistert zeigt Koetzle auf eine Story zu Jugendgangs: „Bilder von Bruce Davidson, Text von Norman Mailer – besser geht's nicht.“ Willy Fleckhaus, „der teuerste Bleistift Deutschlands“, war der Schweizer Strenge eines Max Bill ebenso verpflichtet wie dem US-Neuerer Alexey Brodovitch.

So kappte er bei Porträts radikal Haare, Hälse oder Gesichtshälften und zoomte Prominente wie Jean-Paul Belmondo oder Juliette Gréco hautnah heran. „Er hatte das absolute Auge“, sagt Koetzle.

Seine größten Leistungen würdigt die rhythmisch gehängte Kölner Schau an Ruhmeswänden: etwa seine berühmten Doppelseiten für das Magazin der F.A.Z., die nicht nur Koetzle als Ikonen der Zeitschriftendesigns sieht. Wobei auch Fleckhaus' Liebe zum Weißraum sichtbar wird, die bei Verlegern nicht unbedingt auf Gegenliebe stieß.

Dennoch durfte er etwa die Illustrierte „Quick“ renovieren (eindrucksvoll die Gestaltung des Abschiedsinterviews mit Bundeskanzler Adenauer) und das intellektuelle Kraftwerk der jungen Republik einkleiden. Seine schlicht einfarbigen Einbände der „Bibliothek Suhrkamp“ haben ebenso Designgeschichte geschrieben wie die durch alle Regenbogenfarben deklinierten Bände der „edition suhrkamp“, in denen das geistige Rüstzeug für die ideologischen Kämpfe der 60er und 70er Jahre steckte. Und wie man aus schlechten Porträts ein starkes Bild montiert, zeigt sein Suhrkamp-Plakat „Der Mensch denkt mit dem Kopf“.

Dass er auch das (inzwischen geänderte) WDR-Signet kreierte, weiß kaum jemand, und auch der Auto-Aufkleber „Ein Herz für Kinder“ stammt von ihm. In der Ausstellung ist das Notizbuch von Willy Fleckhaus mit dem Eintrag „Nur nicht alt sterben“ ausgestellt. Tatsächlich wurde dieser geniale Art Director nur 57 Jahre alt.

Bis zum 11. Dezember im Museum für Angewandte Kunst, Di-So 11-17, jeden 1. Do bis 22 Uhr, jeden 1. So 10-17 Uhr. An der Rechtschule. Katalog (240 S.) nur im Museum erhältlich, 29,90 Euro. Rahmenprogramm: www.makk.de

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