Interview mit Martin Haselbröck Der Dirigent über das Spannungsfeld aus alter und neuer Musik

Im Rahmen des Beethovenfests ist der Wiener Martin Haselböck am 1. Oktober mit seiner Wiener Akademie und einem historischen Beethoven-Programm zu "200 Jahre Wiener Kongress" zu erleben. Mit Martin Haselböck sprach Christoph Forsthoff.

 "Für uns war es schwerer": Dirigent Martin Haselböck.

"Für uns war es schwerer": Dirigent Martin Haselböck.

Foto: Hofer

Als Organist ist für Sie die Moderne unabdingbar, als Dirigent widmen Sie sich hingegen der Alten Musik - nur ein scheinbarer Widerspruch oder eher eine Art Ausgleich?
Martin Haselböck: Verbindendes Glied all meines Tuns ist Bach gewesen. Die Wiener Akademie ist vor 29 Jahren als Bach Consort gegründet worden, und ich selbst habe anfangs als Organist auch sehr viel Bach eingespielt - und erst später hat es sich dann in verschiedene Richtungen entwickelt. Allerdings haben wir auch mit der Wiener Akademie in den frühen Jahren bei Wien Modern mehrfach Konzerte gehabt, wo wir Neue Musik auf alten Instrumenten gespielt haben.

Ihnen ist also das Spezialistentum mancher Kollegen eher fremd?
Haselböck: Vielleicht lässt sich das eher unter dem Aspekt der Neugier und des Nicht-Eingrenzen-Wollens betrachten: Ich spiele heute weit weniger Orgel als noch vor zehn Jahren, und da suche ich mir natürlich aus, was ich spielen möchte. Ich möchte und kann nun mal ohne Moderne nicht leben - und so haben wir auch mit der Wiener Akademie immer wieder kleine Ausflüge in die Moderne unternommen, und ebenso dirigiere ich als Gastdirigent bei anderen Orchestern immer wieder neue Stücke. So möchte ich am Leben bleiben. (lacht)

Die Wiener Akademie besteht nun seit 29 Jahren - gehören Originalklang-Instrumente inzwischen zum musikalischen Alltag?
Haselböck: Der österreichische Weg war ein anderer und für uns wohl auch schwerer, als wäre ich anderswo gestartet. Wir sind in den Anfangsjahren in diese Kluft zwischen dem starken Beharren der alteingesessenen Wiener Orchester und dem gerade erst im Anfang akzeptierten Nikolaus Harnoncourt geraten. Weshalb noch vor gar nicht langer Zeit Orchestermitglieder zu mir gekommen sind, wenn ich etwa eine "Così fan tutte" auf Darmsaiten und Originalklanginstrumenten aufführen lassen wollte, und meinten: So ein Blödsinn, Mozart auf Darmsaiten - wie geht das denn?

Und was haben Sie geantwortet?
Haselböck: Ich musste den Herren dann zum Teil sagen: Ihr habt das noch unter Furtwängler in den 50er Jahren so gespielt, die Böhm-Flöte ist bei den Wiener Philharmonikern erst 40 bis 50 Jahre nach der Einführung in anderen Orchestern hinzugekommen. Und doch nennen manche Philharmoniker Harnoncourt und Concentus oder unsere Musiker noch immer die "Wursthaar-Fraktion", weil sie auf Darmsaiten spielen.

Aufklärung ist also immer noch nötig?
Haselböck: Es ist nach wie vor Pionierarbeit. Die Selbstverständlichkeit, die deutsche Ensembles erleben, gibt es bei uns noch immer nicht. Andererseits war es immer mein Ziel, mit Musikern zu arbeiten, die Barock und Moderne spielen und beide Instrumente beherrschen - und da habe ich gerade durch den Zyklus im Wiener Musikverein eine für mich ganz wichtige Repertoireausweitung ins späte 18. und 19. Jahrhundert realisieren können.

Was Sie bis zu Beethoven wie jetzt in Bonn, ja sogar bis zu Liszt gebracht hat. Und doch ist es erstaunlich, dass mit dem Concentus Musicus und der Wiener Akademie gleich zwei Spezialistenensembles in einer Stadt nebeneinander existieren können.
Haselböck: In Wien ist einiges rätselhaft: Wir haben drei Opernhäuser, die täglich spielen, wir haben sechs Sinfonieorchester - das heißt, man steht sich fürchterlich auf den Zehen, und es gibt auch teilweise gewisse Animositäten. Aber wir haben bis auf die großen Meister andere Vorlieben und setzen auch andere Schwerpunkte - so ist etwa unser Repertoire ein späteres Repertoire; zudem ist meine Herkunft eine ganz andere mit dem starken Bezug zur Moderne. Und diese Neugier ist ein starkes Agens und der Weg, den wir auch weitergehen wollen und werden.

Bonn: 1.10. Beethovenhalle, 20 Uhr, Karten (20-55 Euro) 0228/50201313

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