"Der Großinquisitor" nach Dostojewski

Im Dialograum "Kreuzung an St. Helena" begann die von der Pfarrgemeinde St. Petrus in Kooperation mit dem Katholischen Bildungswerk veranstaltete Reihe "Das Sakrament des großen Büffels. Gesichter der Macht".

Bonn. Die Bürde der Freiheit sei zu schwer für die Mehrheit der Menschen, die nicht nach dem himmlischen Brot verlangten, sondern schlicht essen wollten. Ihr Glück sei die Unterwerfung unter die drei ewig die Welt beherrschenden Kräfte: das Wunder, das Geheimnis und die Autorität.

Das hält der alte Großinquisitor Christus vor, der im Sevilla des 16. Jahrhunderts aufgetaucht ist, wo die Scheiterhaufen der Ketzer brennen. "Warum bist du gekommen, uns zu stören?", fragt der Greis den gefangenen genommenen Gottessohn, in dessen Namen die Inquisition foltert und mordet.

Mit Frank Heuels Inszenierung der berühmten Erzählung "Der Großinquisitor" aus Dostojewskis letztem Roman "Die Brüder Karamasow" begann im Dialograum "Kreuzung an St. Helena" die von der Pfarrgemeinde St. Petrus in Kooperation mit dem Katholischen Bildungswerk veranstaltete Reihe "Das Sakrament des großen Büffels. Gesichter der Macht".

Heuel schickt das Publikum zunächst frei durch die zwölf Stationen einer Rauminstallation von Annika Ley. Die Zuschauer erleben die Sätze aktiv sinnlich, tragen sie sich gegenseitig vor, sprechen sie ins Megaphon, soufflieren sie einem Schauspieler oder lauschen ihnen über Kopfhörer.

Der Autor Lothar Kittstein hat die komplexe Dialektik von Dostojewskis Text dramatisch zugespitzt. Aus den abstrakten Sprachfragmenten wird im dunklen Bühnenraum unmittelbar konkretes Material. Im postdramatischen Wörterrauschen entwickeln sich jedoch gedankliche Zusammenhänge, während der Musiker Martin Erdmann an der elektronischen Orgel ruhige Klanginseln schafft.

Nach einer halbstündigen Wanderung versammelt man sich schließlich doch noch zu einer klassischen Theatersituation . Beim inneren Dialog des imaginierten Gesprächs zwischen dem Großinquisitor und seinem verhafteten stummen Gegenüber agiert der Schauspieler Georg Lennarz vor einem Spiegel zwischen zwei Videomonitoren, die beide ihn selbst zeigen. Der historisch Mächtige und der scheinbar Ohnmächtige sind identisch.

Weitere Vorstellung am 19. November, 20 Uhr, im Dialograum "Kreuzung an St. Helena" (Bornheimer Straße 130).

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