Der Krieg in der Küche

Odoroka-Ensemble mit "Helvers Nacht" in Bonner Pathologie

Bonn. Ein zugiger Wind geht durch die spärliche Küche, Gefechtslärm brüllt draußen, ein Junge schwärmt vom Krieg. So beginnt "Helvers Nacht", polnisch im Original, eine bedrückende Geschichte um Kriegsspiele, Einsamkeit und ein altes Hochzeitsbild.

Das Odoroka-Ensemble, unter der Leitung von Géza Melczer-Lukacs, bringt das Geschehen dieser unruhigen Nacht in der Enge der Pathologie dem Zuschauer unausweichlich nah.

Helver (Olaf Sabelus) ist von der Belagerungs-Euphorie auf den Straßen der Stadt angesteckt. Zu Hause erzählt er von Blechschüsseln und Erbsensuppe wie von einem Gala-Dinner, träumt von dem Wir-Gefühl, knallt die Hacken aneinander, ramtatatam. Wie in jeder Szene geht es irgendwann mit ihm durch.

Plötzlich schnauzt Helver Befehle an seine Mutter (Karin Kroemer), stößt sie zu Boden, tritt sie mit Füßen, wenn sie nicht tut, was er sagt. Er spielt nach, was der bewunderte Anführer da draußen vorgemacht hat, spiegelt in seiner wahnsinnigen Reaktion Mitläufer, Täter und Opfer - gleich alle in einem. Bis die Mutter, die eigentlich keine Mutter ist, auf den Tisch haut und sich die Machtverhältnisse schlagartig ändern.

Der hasserfüllte Tunnelblick des Jungen schlägt in Wimmern um. Die Zauberformel: "Was hast du heute Nacht geträumt?" Und langsam wird die Einsamkeit deutlich, die da in seinem verwirrten Kopf herrscht.

Unsicherheit sickert durch die memorierten Weisheiten der Vorgesetzten, sein Stottern, sein lallendes Lachen verraten das zurückgebliebene Kind, das ein wenig den Aufstand proben will. Die Mutter spielt mit, macht Zugeständnisse und steuert doch das Geschehen bis zuletzt.

Brennende Läden, Behinderte auf Lastwagen - das ruft Erinnerungen wach und lässt doch das Geschehen universal wirken. Die Grenzen zwischen schuldig und unschuldig verschieben sich rasant. Liebe und Hass gehen wie so häufig untrennbar zusammen.

Es braucht lange, bis die Fäden der Vergangenheit und Gegenwart zueinander finden. Dabei wechseln sich donnernde Eskalationen mit kontemplativen Szenen ab - Zeit, kurz durchzuatmen, bevor die Dramaturgie diese düstere Kriegsmetapher weiterpeitscht.

Ingmar Villqist alias Jaroslaw Swierszsz hat mit "Helvers Nacht" das berühmteste polnische Theaterstück der 1990er geschrieben, doch auch in deutscher Übersetzung kann sich das Stück sehen lassen.

Befehlen und tödliche Tabletten zu einem Haus mit Sonne zusammenzulegen - für Helver ist das alles ein Spiel. Doch unbemerkt fängt der grausame Spaß an, Wirklichkeit zu werden.

"Helvers Nacht" ist noch am Donnerstagabend (05. April 2007) um 20 Uhr in der Pathologie zu sehen.

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