Premiere im Kleinen Theater Der Reformator vor Gericht

Bad Godesberg · Zwei spannende Stunden: Lajos Wenzel inszeniert „Der Fall Luther“ im Kleinen Theater Bad Godesberg. Die Inszenierung überzeugt.

 Er glänzt in mehreren Rollen: Karl-Heinz Dieckmann im „ Fall Martin Luther“.

Er glänzt in mehreren Rollen: Karl-Heinz Dieckmann im „ Fall Martin Luther“.

Foto: Friedhelm Schulz, Friedrichson-P

Die Schatten der Vergangenheit suchen ihn heim. Martin Luther steht vor Gericht. Angeklagt, die durch seine Lehre zum Aufstand getriebenen Bauern verraten zu haben und mitschuldig zu sein an der blutigen Niederschlagung ihrer Revolte. Der Prozess hat so nie stattgefunden, gibt aber die Möglichkeit, in vielen Spielszenen das Leben des großen Reformators Revue passieren zu lassen. „Der Fall Luther“ von Karlheinz Komm, uraufgeführt zu Luthers 500. Geburtstag 1983 an der Landesbühne Rheinland-Pfalz in Neuwied, ist nun zum Jubiläum des Thesenanschlags zu Wittenberg 1517 im Kleinen Theater Bad Godesberg neu zu besichtigen.

Regisseur Lajos Wenzel (2016 inszenierte er am Contra-Kreis mit großem Erfolg Ferdinand von Schirachs „Terror“) vermeidet geschickt alles Lehrstückhafte der Verhandlung und setzt auf schnelle, dramatische Stimmungswechsel. Ausstatter Christian Baumgärtel hat dafür mit wenigen variablen Bühnenelementen einen Raum geschaffen, der in seiner Schlichtheit alle Szenen stützt. Gelbliche Farbspritzer überall suggerieren den schweren Lehm der Getreide- und Schlachtfelder und assoziieren militärische Camouflage-Optik.

Hinter einem transparenten Lamellenvorhang, auf dem gelegentlich Motive aus Hieronymus Boschs Albtraumvisionen erscheinen, lauert ein Schattenchor der vielen Figuren, die Luthers Wirken unterschiedlich beleuchten. Schnelle Kostümwechsel markieren nicht nur die Personen, sondern auch die historisch ferne Zeit, die gerade durch den Verzicht auf mutwillige Aktualisierungen unmittelbar in die Gegenwart reicht.

Angriff auf die Institution Kirche

Jürgen Clemens spielt überzeugend den Sohn eines aus einfachen Verhältnissen aufgestiegenen Bergmanns, der seinem Sprössling ein Jurastudium ermöglichte und tief enttäuscht dessen Wandel zum Augustinermönch ablehnte. Clemens ist dieser von Ehrgeiz und Eitelkeit nicht ganz freie Theologe Dr. Martin Luther, der unversehens in einen politischen Machtkampf gerät, obwohl er nur das unverfälschte Evangelium predigen wollte und die weltlichen Machenschaften, insbesondere die lukrative Ablasspraxis der Institution Kirche scharf angriff. Ein zweifelnder Nachdenker, standhafter Moralist, kein Sozialrevolutionär.

Karl-Heinz Dieckmann gibt unter anderem den jovialen Beichtvater des jungen Gelehrten, hat einen brillanten Auftritt als frommer Ablasshändler Tetzel („Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt“) und glänzt als mit allen diplomatischen Wassern gewaschener Kardinal Cajetan beim Reichstag zu Augsburg. Josef Hofmann läuft nach diversen anderen Rollen bei der Beweisaufnahme nach der Pause als unerbittlicher Ankläger zu großer Form auf. Felix Hoefner sorgt als Richter für die Ordnung der Zeugenaussagen. Konstantin Hertel spielt vornehmlich die jugendlichen Feuerköpfe aus dem Milieu der Studenten und Bauern.

Die dunkle Seite des Aufstands

Dominique M. Güttes als von entlaufenen Mönchen vergewaltigte Magd Grete zeigt die dunkle Seite des Aufstands. Juliane Ledwoch als schmerzversteinerte Gräfin von Helfenstein bewegt Luther 1525 zu seiner Streitschrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“. Hat der sprachgewaltige Bibelübersetzer, dessen Lehren durch Gutenbergs Erfindung der Druckerpresse ein Massenpublikum erreichten, das Bauernmassaker bei Frankenhausen mitverschuldet? Zog er sich zurück, nachdem man ihm die Folterinstrumente gezeigt hatte, mit denen Kirche und Feudalismus ihre Gegner zum Schweigen brachten?

Die Aufführung zeigt einen Menschen mit Stärken und Schwächen, inklusive wüster Invektiven gegen Papst, Juden, Türken, Frauen. Aber am Ende auch seine Vision einer hierarchischen Weltordnung, die längst aus den Fugen geraten war, als er neue Glaubenswege suchte, dabei die Zeichen der Zeit aber nicht begriff.

Nach gut zwei spannenden Stunden langer, herzlicher Premierenbeifall für das Inszenierungsteam und das vielseitige Schauspielensemble.

Nächste Vorstellungen am Sonntag, dem 27. August, um 16 Uhr (nicht wie im gedruckten Spielplan angegeben um 20 Uhr), weitere Aufführungen bis zum 22.September fast täglich. Tickets unter 0228/36 28 39, weitere Infos unter www.kleinestheater-badgodesberg.de

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