Der Sänger mit der Klarinette

Giora Feidman und Freunde feierten auf dem Bonner Museumsplatz die Klezmer-Musik als Sprache der Welt.

 Das Instrument als "Mikrofon der Seele": Giora Feidman und Freunde auf dem Bonner Museumsplatz.

Das Instrument als "Mikrofon der Seele": Giora Feidman und Freunde auf dem Bonner Museumsplatz.

Foto: Horst Müller

Bonn. Die Kraft der Stille ist für ihn durch nichts zu übertönen. Außer von dem Martinshorn vielleicht, das sie für einen Augenblick durchbricht. Aber das quittieren sowohl Giora Feidman selbst als auch seine rund 1 000 Zuhörer auf dem Bonner Museumsplatz mit Gelassenheit.

Denn schon im nächsten Augenblick hat er sie wieder - die gleichermaßen konzentrierte wie faszinierte Ruhe des Publikums, das auf jeden Ton, jede Nuance seiner Klarinette lauscht. Seien er oder sie auch noch so leise.

Für Feidman selbst ist sie weit mehr als "nur" ein Instrument. Sie sei seine Stimme, das "Mikrofon seiner Seele", und er vielmehr ein Sänger als ein Musiker. So hat er angefangen, mit 18 Jahren in seiner Heimatstadt Buenos Aires, wo er am 25. März 1936 geboren wurde.

Fotos Bilder vom KonzertWurde mit 18 Klarinettist am Teatro Colon, ging 1957 ins Gelobte Land, mit einem Vertrag des Israel Philharmonic Orchestra in der Tasche. Er hat mit Dirigenten wie Leonard Bernstein und Zubin Metha zusammengearbeitet, als Solist in New York gespielt und auf Konzertreisen von London bis Tokio. In Deutschland war er noch weitgehend unbekannt, bis Peter Zadek ihn 1984 in Berlin für das Musical "Ghetto" von Joshua Sobol verpflichtete.

Und bis der Soundtrack zu Spielbergs mit sieben Oscars ausgezeichnetem Film "Schindler's List" seinen Namen zehn Jahre später zur Institution schlechthin gemacht hat, wo immer es um Klezmer-Musik geht.

Die allerdings sieht Giora Feidman nicht unbedingt allein auf die jüdische Tradition beschränkt, sondern vielmehr als universelle Sprache. So ist sein Bonner Konzert mit dem Zusatz "and Friends" in erster Linie Weltmusik live und unplugged. Jeder bekommt seinen großen Aufritt: Vom baskischen Akkordeonisten Enrique Ugarte und dem argentinischen Piccolo-Flötisten Raúl Alvarellos über Avi Avital (Mandoline) und Murat Coskun (Perkussion) bis zu Jens-Uwe Popp (Gitarre) und Guido Jäger (Kontrabass).

Das mag dem einen oder anderen Zuschauer unterm Strich zu wenig Feidman sein. Doch der versteht es nahezu perfekt, die Balance zu halten, und mischt sich immer wieder unter seine Freunde.

Mit Traditionals wie "Hava Nagila" und "Donna Donna", bei denen der Sänger an der Klarinette sich auch gern vom Publikum begleiten lässt. "Und weil weder im Alten noch im Neuen Testament oder im Koran geschrieben steht, dass die Zugabe immer am Ende kommt", stellt er sie der Pause voran: ein Medley der deutschen und der israelischen Nationalhymne, der "haTikwa", das - so unprätentiös es klingt - eine wohlige Gänsehaut hinterlässt.

Zu den Höhepunkten des Abends gehören Gershwin "Summertime" und das "Concierto de Aranjuez" von Joaquin Rodrigo ebenso wie das Flöten- und Akkordeon-Duo mit Stücken aus Orffs "Carmina Burana" und Vivaldis "Vier Jahreszeiten".

Vor allem aber ist dieser zweistündige Abend Lebensfreude pur - die eines Klezmorim, der ohne Musik bis heute nicht leben kann. Und es auch niemals will.

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