GA-Interview „Der Zeitplan ist extrem sportlich“

Bonn/Zürich · Ilona Schmiel über ihren Neuanfang in der Schweiz und die Sanierung der Bonner Beethovenhalle. Seit 2014 ist die ehemalige Bonner Beethovenfest-Chefin Intendantin der Tonhalle und des Tonhalle-Orchesters in Zürich.

Wie ist es, mit dem Tonhalle-Orchester Zürich dem Rheinland einen Besuch abzustatten?
Ilona Schmiel: Es ist wunderbar, endlich mal wieder musikalisch ins Rheinland zurückzukehren, es ist natürlich auch ein bisschen Heimatgefühl dabei.

Nach der Ära von David Zinman hat Lionel Bringuier den musikalischen Chefposten beim Tonhalle- Orchester übernommen. Er ist ein halbes Jahrhundert jünger als sein Vorgänger. Wie kommt das Orchester mit ihm zurecht?
Schmiel: Das ist in der Tat ein Wandel. Aber einer, den das Orchester selbst entschieden hat. Die Musiker haben ihn gewählt und ausdrücklich gesagt, dass sie eine neue Ära wollten. Man beabsichtigte mit der Wahl, eine Verjüngung einzuleiten und gleichzeitig eine Persönlichkeit zu verpflichten, mit der man sich eine mittel- oder auch langfristige Zusammenarbeit vorstellen kann.

Und das lässt sich auch gut an?
Schmiel: Das lässt sich sehr gut an, und man wird sehen, wie wir in der nächsten Woche in Köln reüssieren.

Mit Werken von Jörg Widmann, Edvard Grieg und Antonin Dvorak...
Schmiel:
Dass ein Werk von Widmann dabei ist, hat einen besonderen Grund. Er ist bei uns auf der Position des Creative Chair, den Bringuier und ich bei unserem gemeinsamen Amtsantritt 2014/2015 geschaffen und damals zuerst an Esa-Pekka Salonen vergeben haben. Es soll immer ein Komponist sein, der auch als Dirigent oder Solist aktiv ist. Widmann ist Klarinettist und dirigiert zunehmend, Salonen ist Dirigent.

Das Tonhalle-Orchester ist ja gerade in der Situation, sich auf eine sanierte Tonhalle freuen zu dürfen. 2017 müssen Sie den angestammten Konzertsaal für drei Jahre verlassen. Wie sieht denn die Interimszeit in Zürich aus?
Schmiel: Manche Dinge sind ja in der Schweiz anders als in Deutschland. Schon als ich den Vertrag im November 2012 unterschrieben hatte, war klar, dass renoviert würde und wann das geschehen soll. Wir haben uns sofort um eine Interimsspielstätte gekümmert und sie auch schon angemietet. Dabei handelt es sich um die Maag-Halle, eine ehemalige Zahnradfabrik, die seit der Stilllegung bereits als Eventhalle genutzt wird. Dort haben schon Rock- und Popkonzerte, aber auch Ausstellungen stattgefunden. Die Nutzung in diesem ganzen Quartier in Zürich West hat sich verändert. Das ist Stadtentwicklungsgebiet, in das sehr viele neue Dienstleistungsgewerbe ziehen, aber auch die Züricher Hochschule der Künste ist dort, das Schauspielhaus mit dem „Schiffbau“, ein Jazz-Club und viele Galerien. Außerdem ist Wohnraum neu gebaut worden, was Änderungen im Lärmschutz mit sich gebracht hat. Deswegen ist auch die Maag-Halle frei geworden. Die Frage war, wie wir es schaffen, uns akustisch abzugrenzen. Wir bauen in diese Halle eine Holzbox ein, einen Konzertraum komplett aus Fichtenholz, um für die Interimszeit akustisch beste Saalbedingungen zu schaffen. Auf der anderen Seite tragen wir mit der Box dafür Sorge, dass alle anderen Spielstätten um uns herum akustisch abgekoppelt sind. Wir können parallel bespielen. Neben der Halle ist ein Musical-Theater, das wir nicht hören und das uns nicht hört.

Wie viel Zuhörer finden da Platz?
Schmiel: Insgesamt 1220, in der Tonhalle sind es 1500.

Das klingt alles sehr aufwendig. Tatsächlich gab es ja in Zürich auch Stimmen, die vorgeschlagen haben, das Orchester während der Sanierungsphase auf Welttournee zu schicken.
Schmiel: Das wäre aber noch wesentlich teurer als die 8,8 Millionen Schweizer Franken, die in die Box investiert werden. Davon trägt die Stadt Zürich 1,6 Millionen, den Rest müssen wir privat akquirieren. Außerdem darf man nicht vergessen, dass ja alle in der Tonhalle aktiven Veranstalter mit umziehen.

Wenn Sie nach Bonn blicken, würden Sie sagen, dass man mit dem WCCB-Saal als Interimslösung gut bedient ist?
Schmiel: Das war ja spätestens 2011 schon in den Planungen mit drin, nachdem das Festspielhaus-Projekt zum ersten Mal auf Eis gelegt worden war. Wenn das Konzertzimmer eingebaut wird, sollte das funktionieren. Ob Nachhallanlage oder nicht, dazu kann ich nichts sagen, aber wenn das Orchester selber findet, es kann damit leben, ist das in Ordnung. Was ich eher anzweifle, ist die Zeitplanung für die Sanierung der Beethovenhalle. 18 Monate finde ich extrem sportlich. Ich kenne ja die Größe des Unternehmens und des Gebäudes. Das wäre ein Zeitraum, den würde ich hier niemals bewilligt bekommen.

Ist sportlich ein Synonym für illusorisch?
Schmiel: Ich belasse es mal bei sportlich. Bei 18 Monaten darf nichts in die Quere kommen. Und es ist kein Neubau, sondern sie greifen in eine bestehende Struktur ein. Das ist für mich ein großes Fragezeichen.

Sie haben Bonn ja nicht ganz verlassen: Sie sind noch immer im Vorstand des Beethoven-Hauses. Wie schätzen Sie die Vorbereitungen fürs Beethoven-Jahr 2020 ein?
Schmiel: Wenn man jetzt schnell Strukturen schafft, um die Vorhaben, von denen ich weiß, umzusetzen, ist man noch im Zeitplan.

Am Donnerstag 14. April, 20 Uhr, gastiert das Orchester unter Leitung von Lionel Bringuier in der Kölner Philharmonie.

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