Philharmonie in Köln Der Zuhörer ist ganz und gar hingegeben

KÖLN · Es kann nicht ausbleiben, dass in einem großen Konzerthaus mit täglich wechselndem Programm wie der Kölner Philharmonie die gleichen Werke in geringem Zeitabstand wiederholt erklingen.

Dies war in der letzten Zeit der Fall bei den Violinkonzerten von Beethoven (Sergey Khachatryan, Christian Tetzlaff) und Sibelius (Frank Peter Zimmermann, Anne-Sophie Mutter).

Bei Felix Mendelssohns populärem Opus 64 folgte auf Sergey Krylov (beim Gürzenich-Orchester) nun Julian Rachlin, umgeben vom Gewandhausorchester unter Riccardo Chailly. Mit dem Musikleben von Leipzig ist Mendelssohn verbunden wie kaum ein anderer Komponist. So kam auch sein Violinkonzert in dieser Stadt zur Uraufführung. Als Robert Schumann es wenig später in Dresden erlebte, war er ganz und gar "hingegeben". Ein solches Gefühl dürfte sich auch heute ungebrochen einstellen, so vertraut einem das Werk auch geworden ist.

Es gibt Geiger, welche ihren Part mit betont honigsüßem Ton angehen, was durchaus seine Berechtigung hat. Auch Julian Rachlin gab ihm gesangliche Wärme, ließ mit seinem klaren, entschiedenen Ton aber gleichzeitig spüren, dass er über ein bestimmtes Maß an Sentiment hinauszugehen nicht gewillt war. Das erinnerte an den Auftritt Maurizio Pollinis einen Tag zuvor, dessen Chopin-Stil sich ebenfalls jeglicher Salon-Zuckrigkeit enthalten hatte.

Riccardo Chailly reagierte mit seinem Gewandhausorchester auf diese energische Vortragsweise nicht nur, sondern bereitete ihr von Anfang an den Boden. Das hinderte ihn freilich nicht daran, dem Sentiment des Andante genügend Raum zu geben. Beim Übergang zu diesem Mittelsatz zeigte sich weiterhin, wie delikat Chailly in Sonderheit die Holzbläser klangfarblich agieren ließ.

Nach dem bravourös gemeisterten Finale setzte Julian Rachlin bei seiner Zugabe in punkto Virtuosität noch eins drauf. Ein Satz aus der 3. Solosonate von Eugène Ysaye steht mit seiner durchlaufenden Doppelgrifftechnik den Paganini-Capricen in kaum etwas nach. Furiose Interpretation!

Zwischen dem filigranen Klangnebel des Beginns und dem eruptiven Schluss bietet Gustav Mahlers romantisch hypertrophe 1. Sinfonie ("Titan") reiche emotionale Wechselbäder. Wie auch anderes von Mahler kam dieses Werk zunächst bei Publikum und Kritik nicht an. Heute, rund 125 Jahre nach der Premiere, reagiert man hingegen regelrecht Mahler-süchtig. Anders ist der tosende Beifall in Köln wohl kaum zu deuten.

Er galt nicht zuletzt Chaillys bestechend genau gearbeiteter und doch nirgends korsettiert wirkender Interpretation, welche sich zwischen Lamentoso-Dunkel und aufreizender Kirmeslaune stilsicher zu bewegen wusste. Die perfekten Soli von Oboe und Kontrabass sind ausdrücklich hervorzuheben, und ein so klangvolles Becken wie jetzt erlebt man nicht alle Tage.

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