Hubert von Goisern auf dem Kunst!Rasen Dialektschwangerer Alpenrock
Bonn · Diesseits des Weißwurstäquators haben Künstler aus dem süddeutschen und österreichischen Raum häufig weitaus mehr Probleme mit dem Durchbruch als in ihrem natürlichen Habitat.
Zugegeben, es gibt Ausgaben wie LaBrassBanda oder der aktuell von diversen Medien gehypte Andreas Gabalier, doch in der Regel tun sich Rheinländer, Ruhrpottler, Westfalen und Norddeutsche eher schwer mit dialektschwangerem Alpenrock oder der noch immer unter einem Stigma leidenden volkstümlichen Musik, die gerne mal jener Region zugeschrieben wird und die unweigerlich Bilder von Oktoberfesten und Trachtenumzügen weckt. Dazu passt, dass gestern nur etwa 1100 Menschen zu dem Konzert Hubert von Goiserns auf den Kunst!Rasen gekommen sind. Dabei hat der 62-jährige Weltenbummler, Crossover-Künstler und Volksmusikerneuerer, der in München ohne weiteres 13 000 anlockt, auch abseits der gängigen Klischees musikalisch einiges zu bieten.
Von Goisern hat schon immer wie ein Schwamm alles aufgesaugt, was ihm in kultureller Hinsicht unter die Finger kam. Südafrika, Kanada, die Philippinen, Tibet, Ägypten, Mali und viele andere Länder haben ihn inspiriert, Samba, Funk, Reggae, Soul, Country und Blues mit den Klängen seiner Heimat zu vereinen. Der Kontrast zählt: Von Goisern liebt das heimische Salzkammergut, seine Sprache und seine Musik und reibt sich doch zugleich daran, im ständigen Spannungsfeld zwischen Tradition und Reformation.
So auch in den Rheinauen, wo er vor allem die Früchte seiner USA-Reisen in den Vordergrund stellt. Mal jodelt er sich am Steirischen entlang, dann wieder wimmert die Pedal-Steel-Gitarre seines Bandkollegen im besten Louisiana-Sumpf-Sound; mal jagt von Goisern mit seinem Akkordeon dem Rock 'n' Roll hinterher, dann wieder ergießt er sich in einer gefühlvollen Ballade oder unterlegt "Amazing Grace" mit einer deutschen Übersetzung. Auch politisch wird er mitunter, ehrt etwa in "Snowdown" all jene, die mutig für die Wahrheit ihre Freiheit aufs Spiel setzen - oder thematisiert in dem Wiesn-Hit "Brenna tuats guat" die Verschwendungssucht im Angesicht sozialer Missstände.
Nicht immer schafft von Goisern den Absprung von der Klischee-Klippe. Ab und zu wirkt die Mischung aus Country und Alpenrock doch etwas zu belanglos und altbacken, auch wenn die treuen Fans jeden noch so durchgejodelten Song bejubeln. Da mündet die Reformation, so gut sie auch gemeint ist, im Konservatismus. Bis der 62-Jährige erneut für eine Überraschung sorgt und zeigt, dass er vielleicht nicht immer jedermanns Geschmack trifft, aber gleichwohl nicht unterschätzt werden sollte