Die blutige Spur des Kaisers in Bonner Oper

Eine theatralische Skulptur: Der Komponist Klaus Lang, dessen "Buch Asche" jetzt im Bonner Opernhaus uraufgeführt wurde, möchte in seinen Arbeiten die klassische Musiktheatersituation aufbrechen.

 Der Kaiser (Terry Wei) hinterlässt eine Spur des Grauens. Szene aus Klaus Langs experimentellem Opernwerk "Buch Asche".

Der Kaiser (Terry Wei) hinterlässt eine Spur des Grauens. Szene aus Klaus Langs experimentellem Opernwerk "Buch Asche".

Foto: Thilo Beu

Bonn. Alles ist anders in dieser Oper: Das Orchester steckt nicht im Graben, sondern sitzt gruppenweise verteilt im Zuschauerrang, in der Intendantenloge und - ein bisschen versteckt - auf mehreren Etagen der Seitenbühne.

Einen Dirigenten gibt's hier nicht. Statt dessen hängt hoch über dem Zuschauerraum ein großer Bildschirm, auf dem unablässig weiße Ziffern- und Buchstabenfolgen aufleuchten, nach denen sich die Musiker orientieren können.

Der Komponist Klaus Lang, dessen "Buch Asche" jetzt im Bonner Opernhaus uraufgeführt wurde, möchte in seinen Arbeiten die klassische Musiktheatersituation aufbrechen.

Tickets Karten im GA-Ticket-ShopDies zu tun ist freilich ein Leichtes, schwieriger ist es, einen wirklich alternativen theatralischen Ansatz zu finden. Das gelingt dem Österreicher auf so spannende Art wie derzeit nur wenig anderen Komponisten.

In der Produktion "Buch Asche", die als Auftrag für die leider kaum mehr präsente Reihe für experimentelles Musiktheater "Bonn Chance!" entstand, setzen Lang und seine engsten Mitarbeiter und Landsleute Claudia Doderer (Ausstattung) und Händl Klaus (Libretto) im Grunde alle Parameter des Musiktheaters neu zusammen.

Das vielleicht wichtigste Element ist die Aufgabe der zentralen visuellen wie akustischen Perspektive: Claudia Doderer hat die in Grau gehaltene Bühne erweitert und als expressiv gezackte Spielfläche einmal längs durchs gesamte Parkett gezogen.

Ein Raumkonzept, dem freilich gut die Hälfte aller Zuschauerplätze zum Opfer fällt. Das Publikum sitzt nicht auf nummerierten Plätzen, sondern man darf sich seine Perspektive selbst aussuchen:

Es ist Teil des Konzepts, dass man diese Oper vorn im Parkett ganz anders wahrnimmt als oben im ersten Rang. Eigentlich müsste man sich das etwas über 90minütige Werk mehrmals von unterschiedlichen Perspektiven aus anhören und ansehen, ähnlich wie ein Betrachter eine Skulptur nur erfassen kann, wenn er permanent den Standort wechselt.

Erzählt wird in "Buch Asche" ein altes chinesisches Märchen. Die arme Reisbäurin Jun träumt, dass sie den Kaiser ihres Landes mit Asche bewirft.

Obwohl sie in diesem Traum dafür zum Tode verurteilt wird, kann niemand sie davon abhalten, das Attentat im wirklichen Leben umzusetzen.

Als der Kaiser, der eine blutige Spur des Grauens wie eine Schleppe hinter sich herzieht, in die Provinz kommt, verbrennt sie ihr einziges Buch, um die Asche für ihr Attentat zu gewinnen.

Doch die Asche verwandelt sich im Flug in Kirschblüten, die den Kaiser erfreuen. Als Lohn erhält die Bäuerin ein Kleid aus kaiserlicher Seide.

In dieser Oper ist es nicht so entscheidend, was erzählt wird, viel spannender ist, wie es erzählt wird. Händl Klaus' Libretto kommt als kunstvoll verrätseltes und sehr poetisches Sprachgebilde daher, das in der musikalischen Umsetzung bewusst im Ungefähren gelassen wird.

Allenfalls einzelne Wörter und Silben sind zu verstehen. Die Musik ist von einer mitunter fast meditativen Textur und scheint durchaus inspiriert von dem fernöstlichen Sujet zu sein.

Lange Liegetöne, zum Teil einfachste Harmonien, dann wieder massive Klangballungen oder Pizzicato-Effekte der Streicher, die so gleichförmig unregelmäßig sich anhören wie Regentropfen.

Claudia Doderers Personenregie knüpft da an. Der Weg des Kaisers, dessen blutrote Schleppe zwei Lakaien permanent ausrichten, dauert die Treppe vom Rang hinunter über die Stuhlreihen bis zur Hauptbühne unendlich scheinende Minuten, es ist eine Meditation über Gewalt und Tod.

Dann wieder gibt es bewegungsintensive tänzerische Einwürfe, die der Choreograf Tomi Paasonen an Butoh-Tänze angelehnt hat (Tänzer: Bärbel Stenzenberger, Ziv Frenkel und Olaf Reinecke). Sie repräsentieren den Chor, dessen Part per Band zugespielt wird.

Das Protagonisten-Trio muss sich in extreme stimmliche Regionen einrichten. Den Kaiser singt der großartige Countertenor Terry Wei, auch Angelika Luz ist als Jun absolut höhensicher und Assaf Levitin als ihr Mann Xi dröhnt machtvoll im Bass-Register.

Das Beethoven Orchester setzt Klaus Langs Skulptur aus Klang eindrucksvoll in Szene. Viel Beifall.

Weitere Termine: 10., 26. Juni und 10. Juli.

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