Mary Roos Die erste Solotournee ihres Lebens

KÖLN · Mary Roos spricht vor ihrem Kölner Auftritt über dumme Fragen und den Spaß an der Musik. Ich habe keinen Glamour." "Ich wollte nie in die erste Reihe." Das sind Sätze, die fallen, wenn man mit Mary Roos spricht. Oder auch: "Ich dachte immer, dass ich so eine langweilige Person bin, weil ich so gerade bin und nicht spiele."

 Neues Kapitel: Mary Roos, fotografiert von dem Bonner Jazz-Trompeter Till Brönner.

Neues Kapitel: Mary Roos, fotografiert von dem Bonner Jazz-Trompeter Till Brönner.

Foto: Universal

Die Menschen in Deutschland (und auch andernorts) finden sie gar nicht langweilig: Ihre ersten musikalischen Gehversuche als Mädchen Ende der 50er eingerechnet ist Mary Roos seit 54 Jahren im Geschäft. Immer präsent, nie in der allerersten Reihe, aber mit mehr als einer Handvoll Lieder, die die Menschen immer wieder hören wollen. Und nun schlägt sie mit 64 ein neues Kapitel auf. Beim Label "Universal Jazz" gibt es ein neues Album: "Denk was du willst", entstanden mit Roberto di Goia, der schon mit Till Brönner oder Max Herre arbeitete.

"Als der Anruf von der Plattenfirma kam, habe ich gedacht, dass sei eine Verarsche" sagt sie unverblümt. Und als es dann hieß, der Produzent sei "ein alter Jazzer" war ihre Reaktion: "Jazz, das kann ich nicht, das traue ich mich nicht. Doch dann kam Roberto zu dem Gespräch dazu." Und ab dem Moment lief die Sache. Das Resultat ist eine Sammlung von leichten, swingenden Nummern mit intelligenten Texten.

Mit dem Produktionsprozess hat der alte Hase Neuland betreten: "Ich konnte bis zur fertigen Aufnahme mitbestimmen! Ich wurde plötzlich gefragt, wie mir die Bassfigur gefällt." Man ist erstaunt, so etwas von jemand zu hören, der so viele Platten aufgenommen hat - und sich das über die Jahre hat gefallen gelassen. "Das hat mit gefallen lassen nichts zu tun. Ich kannte das nicht anders: Man kam ins Studio und das Playback war schon fertig. Jetzt war es, wie ein Kleid angesteckt zu bekommen, und wenn das Kleid dann fertig ist, dann passt es." Der Gesang zum Lied "Sommerregen" wurde in Mary Roos Wohnzimmer aufgenommen, was eigentlich nur als Probe geplant war. "Roberto fand, das habe eine so tolle Atmosphäre, er würde es gerne verwenden." Die Reaktion der Roos: Darf man das denn?

Und auch an den Texten war sie beteiligt. "Mit Jovanka von Wilsdorf habe ich mich in einem China-Restaurant am Hamburger Hauptbahnhof getroffen, und sie hat mich gefragt, was ich denn singen möchte. Und so kommt mir jetzt ,ich kann Sonntage nicht leiden' richtig aus dem Herzen!" Der schrägste Text stammt von Frank Ramond: "Frau Roos, wie lange woll'n Sie das noch machen?" - und basiert auf einer Idee der Sängerin: "Ich hatte ein Interview mit Iris Berben gelesen. Die letzte Frage - gestellt von einer Frau wohlgemerkt - war ,Und wie lange wollen sie diesen Beruf noch ausüben?' Dieses Fragezeichen in den Augen - das ist mein Thema!"

Und sie betritt noch mehr Neuland: Zum ersten Mal in ihrer Karriere macht sie eine kleine Solo-Tournee. "Ich habe mich auch gefragt, warum das so ist - vielleicht hatte ich ja Angst?" In all den Jahren war sie immer nur mit Kollegen unterwegs, in quasi Live-Versionen der ZDF-Hitparade. Dabei hat sie unter anderem auch Disziplin gelernt: "Wir sind ja alle in einem Bus gefahren - die Musiker vorne Roth-Händle rauchend, wir hinten hustend. Und wir mussten für jede Minute, die wir zu spät kamen, eine Mark bezahlen. Wir haben von Gitte Haenning sehr gut gelebt!" erinnert sie sich lachend.

Die Pünktlichkeit, die Gemeinschaft - da war nicht viel Platz für Höhenflüge. "Ich habe letztens den Satz gelesen ,Berühmt sein kann dir alle Knochen brechen' - wie wahr." Ihr ist das nicht passiert. "Das liegt an meiner Familie: Meine Wurzeln sind so stark, dass ich nie Angst haben muss, wenn mir etwas passiert."

Und an der gesunden Selbsteinschätzung: "Wenn ich nach Hause komme, bin ich Frau Böhm." Die Sohn Julian, einem 26-jährigen Veranstaltungskaufmann, auch die Wäsche bügelt. Die, wenn sie beruflich unterwegs ist, keine Entourage braucht: "Ich finde das angenehm. Denn ich könnte zum Beispiel nicht mit einer Frau unterwegs sein, die dauernd Kalorien zählt." Und die ehrlich ist: "Ich verdiene natürlich lieber Geld mit Sachen, die ich gerne mache. Aber man will ja auch leben." Und nicht irgendwann blank da stehen, wie mancher in diesem Gewerbe.

Für Skandale war nur Ex-Mann Werner Böhm alias Gottlieb Wendehals zuständig, mit dem sie 1981 bis 1989 verheiratet war und der sie noch im letzten Jahr mit mehr als 20 Jahre alten Untreue-Vorwürfen in die Schlagzeilen brachte. Wenn sie darüber spricht, dann ohne Zorn, höchstens mit einem innerlichen Kopfschütteln.

Trotz oder gerade wegen des Liedes muss dann doch noch die Frage nach dem "Wie-lange-noch" gestellt werden. "Wenn ich merke, dass ich nicht mehr singen kann, dann singe ich nicht mehr. Alles andere wäre für mich ganz furchtbar."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort