Die Geschichte von "Paul Schatz im Uhrenkasten"

Poesie und Musik mit dem Schriftsteller Jan Koneffke und dem Kontrabassisten Vitold Rek - Stiftung Bahnhof Rolandseck hatte ins Alte Rathaus von Oberwinter eingeladen

Die Geschichte von "Paul Schatz im Uhrenkasten"
Foto: Vollrath

Remagen-Oberwinter. Es war die vorletzte Veranstaltung dieses Jahres, in der Reihe "Poesie und Musik", zu der die Stiftung Bahnhof Rolandseck ins Alte Rathaus von Oberwinter eingeladen hatte. Jan Koneffke, freier Schriftsteller, und Vitold Rek, Virtuose auf dem Kontrabass, versprachen einen unterhaltsamen literarisch-musikalischen Abend.

Der Saal war gut besetzt, als Ulrike Thelen von der Stiftung Bahnhof Rolandseck die Künstler vorstellte.

Dann wurde es still, und Vitold Rek ließ seinen Kontrabass "erzählen".

Mit charmanter Stimme, mal keck, mal melancholisch säuselte, kicherte, raunte und brummte der hölzerne Korpus unter den Saiten. Die Musik erhöhte die Spannung auf den Helden des Abends: "Paul Schatz im Uhrenkasten".

Und dann war er da. Ein Junge, der in den Wirren zweier Kriege aufwuchs, der den mürrischen Großvater über alles verehrte und liebte; ein Junge, der in seine eigene Welt floh, in der die Uhrensammlung des Alten Wunder bewirkte, den Lauf der Dinge änderte.

Jan Koneffkes Roman "Paul Schatz im Uhrenkasten" erzählt eine wahre Geschichte. Dennoch kommt sie einer Reise in die Phantasie gleich. Paul Schatz, 1920 geboren, verstand die Welt der Erwachsenen nicht.

Er wurde bestraft, als er auf Anerkennung wartete, er wurde geheißen, eine Behinderung vorzutäuschen, obgleich er ein gesunder Knabe war. Während der Weltkriege galten Regeln, die ihm absurd vorkamen. Doch er gehorchte, er passte sich an. Äußerlich jedenfalls.

Im Innern zog er sich in eine Welt zurück, in der der Großvater, der zu Lebzeiten eine herrliche Uhrensammlung besessen hatte, unter der Erde in einer Loge saß und gelegentlich den Lauf der Dinge bestimmte.

Immer, wenn er einen Zeiger verstellte, änderte sich auf der Erde die scheinbar unabänderliche Richtung der Ereignisse.

Wie in einer Symbiose harmonierten Kontrabass und Lesung. Ohne Worte, so schien es, erzählte der Bass den Roman weiter und führte das Publikum tiefer in die Handlung ein. Auf Episoden von Heiterkeit und Frohsinn folgten fröhliche Melodien.

Schreckensszenerien, Kriegsereignisse und Trauer wurden mit Tönen untermalt, die aus der Tiefe des Korpus'' heraufkrochen und das Publikum erschauern ließen.

Jan Koneffke, 1960 in Darmstadt geboren, ist in diesem Jahr Literaturstipendiat der Stiftung Bahnhof Rolandseck. Er studierte Philosophie und Germanistik.

Seit 1995 ist er freier Schriftsteller und als Rezensent und Kulturkorrespondent in Rom tätig. Er erhielt den Leonce-und-Lena-Preis für Lyrik und den Förderpreis zum Friedrich-Hölderlin-Preis.

Vitold Rek, 1955 in Polen geboren, ist Dozent an der Uni Mainz und an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Frankfurt am Main. In den 80-ern galt er als bester polnischer Kontrabassist, er hat zahlreiche CD-Produktionen veröffentlicht und Preise und Auszeichnungen erhalten.

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