Die Giftliste wird jetzt wirksam

Dem Bonner Kulturausschuss liegt ein Entwurf für Einsparungen vor. Rund 20 Prozent weniger Geld für freie Träger.

 Szene aus "What a Feeling": Im Contra-Kreis-Theater dürfte die Gefühlslage angesichts der Einschnitte ernst sein.

Szene aus "What a Feeling": Im Contra-Kreis-Theater dürfte die Gefühlslage angesichts der Einschnitte ernst sein.

Foto: Contra-Kreis

Bonn. Vor einem Jahr machte die "Giftliste" mit Kürzungsvorschlägen des damaligen Kulturdezernenten Ludwig Krapf die Runde. Sie war nur eine Diskussionsgrundlage. Jetzt kommt die nächste "Giftliste" in Umlauf: Im Kulturausschuss wird sie am 1. Juni beraten. Es spricht viel dafür, dass es nicht bei der Debatte bleibt.

Die Kürzungen werden im Rahmen des Haushaltsplans umgesetzt. Der Entwurf der Kulturverwaltung sieht vor, dass die freien Kulturträger 2011 rund 2,56 Millionen Euro bekommen, das sind 576 000 Euro weniger als im Jahr 2010 (3,1 Millionen Euro), also fast 20 Prozent minus. Laut Kulturdezernent Martin Schumacher besteht "keine Existenzgefährdung", die Kürzungen seien absolut notwendig.

Meinung Lesen Sie dazu auch den Kommentar " Keine Insel der Glückseligen"Eine weitere Absenkung ist im Jahr 2012 fällig: Die Freien bekommen dann nur noch 2,45 Millionen. Die Talfahrt geht, so die Prognosen, weiter: 2015 wird die Förderung bei 2,14 Millionen Euro angelangt sein. Doch die mittelfristige Planung könne auch ganz anders aussehen, im Positiven wie im Negativen, sagt Schumacher.Zu den Verlierern der Neuaufteilung des mittlerweile kleineren Förder-Kuchens gehört die Europäische Musikakademie, die auf null gesetzt wird. Ferner sollen das Akademische Kunstmuseum, das Mineralogische und das Museum Alexander Koenig spätestens ab 2012 kein Geld mehr von der Stadt bekommen.

Das Deutsche Museum büßt über 50 000 Euro ein, das Frauenmuseum wird 2012 mit 120 000 Euro statt 180 000 Euro planen müssen. Hier baut der Kulturdezernent auf beantragte Mittel des Landschaftsverbands Rheinland, um die Lücke zu schließen. In Schritten wird der Etat des Kunstvereins heruntergefahren - auf 160 000 Euro im Jahr 2012.

Für Direktorin Christina Végh, die ohnehin jede Ausstellung zu 80 Prozent mit Drittmitteln finanzieren muss, geht das "an die Struktur". Während das Contra-Kreis-Theater empfindliche Einschnitte erwartet, wird dem Euro Theater Central nur ein kleines Minus zugemutet. Das Kleine Theater gehört zu den Verlierern.

Hart trifft es auch das Haus der Springmaus, das auf null gesetzt wird. Ebenso geht es dem Pantheon. Kulturdezernent Martin Schumacher erklärte gleichwohl, es werde nicht "mit dem Rasenmäher-Prinzip" gekürzt: "Die Kürzungen sind so bemessen, dass einige betroffene Einrichtungen zwar Einschränkungen hinnehmen müssen, sie werden damit aber nach Einschätzung der Verwaltung nicht in ihrer Existenz gefährdet."

Schumacher ist mit pragmatischen Kriterien an die Planungen herangegangen, sagte er dieser Zeitung, in der Liste steckt nicht das kulturpolitische Credo des Dezernenten: "Bevor ich noch kein Kulturkonzept habe, wollte ich keine Institution gefährden", sagte er, "ohne Konzept will ich keine Fakten schaffen." Krapfs "Giftliste" sei viel weiter gegangen. Wäre man ihr gefolgt, gäbe es einige Institutionen heute nicht mehr, meinte Schumacher.

Man habe jede Institution befragt, ausgelotet, was zumutbar sei, erklärt Schumacher, "manche Institution ist so auf Kante genäht, dass nichts mehr geht". "Ich möchte mir erst ein Bild machen, um dann in einem Kulturkonzept etwas über die Zukunftsfähigkeit Bonner Kulturinstitutionen aussagen zu können."

Den Hinweis, dass in fünf Jahren, wenn der Etat für die Freien möglicherweise um über eine Million gekürzt sein wird, der kulturpolitische Spielraum gleich null wäre, kontert Schumacher mit: "Ich bin aus Prinzip Optimist." Wer will, erkennt auch in Schumachers pragmatischer "Giftliste" Akzente: Film und Theater für Jugendliche scheinen ihm als wichtige Basis für die Kulturentwicklung zu gelten.

Stabil halten sich also das Junge Theater das Theater im Ballsaal, die Videonale, das Sommerkino, der Traumpalast e.V. in der Brotfabrik. Eine Chance bekommt die Literatur: Während das Haus der Sprache und Literatur 2010 noch auf 70 000 Euro abrutschte und für die folgenden Jahre auf null gesetzt wurde, bekommt das nach Auflösung des Hauses der Sprache neu gegründete Literaturhaus Bonn zumindest 2011 einen Etat von 50 000 Euro, 2012 sind es dann 40 000 Euro. Die Beethovenpflege bleibt vor den Kürzungen verschont. Auch ein Signal.

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