Radiokonzert im Kölner E-Werk Die Gruppe Coldplay stellt Stücke der neuen CD vor

KÖLN · Der Blick auf die noch leere Bühne ist irritierend. Von der Decke hängen Dutzende Sterne herab. Hat Chris Martin das Kinderzimmer seines Sohnes nachgestellt? Sind die "Ghost Stories" - so der Titel des neuen, sechsten Albums, das am 16. Mai erscheinen wird - Kindergeschichten für Erwachsene?

 Die neuen Stücke sind ruhiger: Coldplay beglückt tausend zahlende Gäste im Kölner E-Werk.

Die neuen Stücke sind ruhiger: Coldplay beglückt tausend zahlende Gäste im Kölner E-Werk.

Foto: Thomas Brill

Der richtige Zeitpunkt, das Geheimnis des schlichten Bühnenbildes zu lüften, ergibt sich für Sänger Chris Martin nach dem Ende der regulären Radioübertragung, denn "jetzt sind wir unter uns". Der vom lokalen Jugendsender übertragene Abend im Kölner E-Werk ist das erste von weltweit sieben Auftritten zur Promotion des neuen Albums.

1000 Fans konnten Tickets im regulären Verkauf erstehen. Wer Glück hatte, konnte weitere Karten gewinnen oder gehörte in irgendeiner Weise zum Musikgeschäft. Wer es ins E-Werk geschafft hatte, hatte das Gefühl, zu einem ausgewählten Kreis zu gehören, der der Band so nahe wie sonst nie kommt. Wird das Konzert dadurch besser?

Viele glauben es. Restlos begeisterte Fans schwärmen ins vorgehaltene Radiomikrofon: "Man konnte Chris Martin schwitzen sehen!" oder "Man konnte ganz hautnah sehen, wie er sich freut!" War man deswegen gekommen? Coldplay ist eine Band, die ein Stadion in ein Meer glücklicher Menschen verwandeln kann.

Wer sie vor zwei Jahren im Rhein-Energie-Stadion erlebt hat, wird sich mit strahlenden Augen daran erinnern. Ein berauschendes Erlebnis, das ihnen Freitagabend so nicht gelingt. Dabei ist das Konzert gut, gewohnt gut. Die Musik sitzt, die Setlist mischt geschickt neue und alte Songs.

Ein charmanter Chris Martin weiß die Botschaft der Band wirkungsvoll in Szene zu setzen: "Wir wollen uns nicht durch unsere kleinen und großen Niederlagen unterkriegen lassen." Der Sound dazu ist massenkompatibel. Man kann dazu tanzen ("Viva la Vida"), träumen ("Scientist") oder sich Gespenstergeschichten erzählen lassen ("Midnight").

Coldplay spielen sechs Titel vom neuen Album, garniert mit acht alten Stücken, die eine Werkschau ihres Schaffens darstellen. Das neue Material ist auffallend ruhiger. Der Opener "Always in my Head" ist einer der neuen Songs, den Chris Martin mit gewohnter Verve vorträgt.

Mit "Charlie Brown" vom Vorgängeralbum "Mylo Xyloto" wechseln Tempo und Lightshow. Es blitzt und blinkt. Hier spielt die mitreißende Stadionband. Der aktuellen Single "Magic" haucht Martin eine zusätzliche Portion Magie ein, die zum Ende ein wenig abflacht. Gegen das folgende "Clocks" aus dem Jahre 2002 verblasst "Magic" allerdings zu wenig aufregendem Sehnsuchtspop. Die neuen Stücke passen ins Oeuvre von Coldplay, in Konzertlänge würden sie langweilen, im Gesamtwerk funktionieren sie tadellos.

Pünktlich zum Ende der Radioübertragung beschließen Coldplay ihr Set mit "Every Teardrop is a Waterfall". Chris Martin hüpft, rudert mit den Armen. Konfettiregen ergießt sich über die Zuhörer, die Sterne am Deckenhimmel leuchten, das E-Werk singt wie aus einem Mund "Oh, oh, ah, oh". Glück im Coldplay-Cosmos.

Das in der Zugabe gespielte wehmütige "Scientist" wirkt wie ein Kommentar zum Scheitern der Ehe von Gwyneth Paltrow und Chris Martin: "Niemand sagte, dass es einfach sei. Es ist eine solche Schande, dass wir uns trennen." Zeilen, die das Leben von Chris Martin eingeholt haben.

Sie werden ergriffen vom Publikum mitgesungen. Warum aber die Sterne am Bühnenhimmel? Es gilt, eine Weltpremiere zu feiern. "A Sky Full of Stars" vom neuen Album wurde noch nie zuvor vor Publikum gespielt. Ein Midtempo-Stück, das vielleicht das Zeug zu einer neuen Single hat.

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