Die guten Momente sind alle nur geliehen
Bonner Band "Lichter" erzählt auf ihrem gleichnamigen Debüt-Album von Verletzungen, die das Leben zufügen kann
Bonn. Lichter haben das gemeinsam mit Menschen: Es ist keins wie das andere. Manche strahlen hell und stark. Andere sind diffus, flackern unvorhersehbar. Einige scheinen zart - können aber auch drohende Schatten werfen.
Die Bonner Popband "Lichter" erzählt auf ihrem gleichnamigen Debüt-Album, das auf dem Berliner Label "Loob Musik" erscheint, vom Leben, das immer alle Licht- und Schattenseiten in sich vereint. Das Quartett hat einen Soundtrack zur Ambivalenz eines postmodernen Daseins entworfen, der die vielen Möglichkeiten von Verletzungen besingt, ohne die Schönheit zu verschweigen.
"Da ist ein leerer Raum, seitdem ich ein Kind bin", lautet die erste Zeile des Albums ("Leerer Raum"). Was steckt in diesen schichten Worten? Ein Wissen um tausend ungesagte Sätze, auch zwischen den vertrautesten Menschen. Eine Erkenntnis, dass man Grenzen in sich selbst und nach außen, den "leeren Raum zwischen unserer Haut", nur bedingt überwinden kann.
Das drängende, kurze Gitarrenmotiv, das sich melodisch zunehmend ausfaltet, symbolisiert geordnete Strukturen - und ruheloses Unwohlsein zugleich. "Mittzwanziger-Lebenskrise", sagt Mathias Mauersberger lachend. Mit seiner klaren Stimme, die die Vokale gerne dehnt, erzählt der Sänger und Gitarrist von der Sehnsucht nach einem Zustand, der vielleicht nie eintritt: Liebe, bedingungslos.
Den 27-Jährigen verbindet mit seinen Bandkollegen Philipp Gosch (Bass) und Claus Schulte (Schlagzeug) eine Schulzeit in Bonn - und das Experimentieren in unzähligen Bands. Nach dem Abitur bestand er die Aufnahmeprüfung für das Fach "Jazz-Gitarre" an der Musikhochschule in Köln.
Heute absolviert er in Paderborn den Studiengang "Musik und Medien". Die einzige Frau im Popbunde, Keyboarderin Vera Mohrs, studiert in Hannover Schulmusik und Komposition. In Bonn kennt sie sich mittlerweile gut aus: Das Quartett probt im Bad Godesberger Hansahaus.
Sänger und Bassist trafen die 24-jährige anno 2005 bei dem legendären "Popkurs" in Hamburg, der schon so illustren Bands wie "Wir sind Helden" den Teppich ausgerollt hat. "Diese Wochen waren unheimlich wichtig. Dort sind nicht zuletzt alle wichtigen Kontakte entstanden", resümiert Mauersberger.
Etwa zum Produzenten Tobias Siebert, der das Debüt in seinem Studio in Berlin-Kreuzberg aufnahm. Liebevolle und gewitzte musikalische Arrangements begleiten die bildreichen ("Das Gespenst ist k.o."), immer etwas unnahbaren Texte: Da funkeln poppige Keyboard-Sounds und Stakkato-Klavierakkorde, die "Wir sind Helden" erahnen, aber gleichzeitig blass aussehen lassen.
Sie umschmeicheln forsche Gitarrenriffs und Rhythmen, ausgefeilte Mehrstimmigkeit. Der perfekten Eingängigkeit verweigern sich die dramaturgisch komplexen Stücke jedoch.
Das ist durchaus im Sinne des Quartetts: "Wir wollen nicht nach einer typischen deutschsprachigen Indieband klingen. Uns ist wichtig, dass es spannend bleibt." Als wollten die Musiker die Mahnung ihres furiosen Lieds "Amphetamin" umsetzen: "Du weißt, alle unsere guten Momente, sind auf Zeit und alle nur gelieh'n".
Den Mittel- und emotionalen Höhepunkt des Albums bildet "Ich bleibe ruhig", in dem Mauersberger seine Generation Praktikum mit berührendem Aufruhr in der Stimme beschreibt: "Wir sind konzentriert und unendlich müde, und wissen nicht wovon. Man hat uns diktiert, wir seien unverwundbar, ich bin kein Teil davon."
Immer stürmischer wird dem stets drohenden Burn-out das einzig wirkungsvolle Rezept entgegen gereckt: Leidenschaft. "Setz' alles, was ich liebe gegen ihre Lebensläufe, gegen ihren Plan, denn ein Gerücht kursiert, dass es nicht auswegslos ist, dass man sich wehren kann."
Das verheißungsvolle Debüt kommt zudem hübsch verpackt daher - mit einer roten Schleife. Die kunstvoll gestaltete Papphülle ist schwarz. Dunkel und Licht gehören ja auch zusammen.
Lichter spielen am 26. April um 20 Uhr mit der Kölner Band Lingby im Kult 41, Hochstadenring 41.