Die kessen Jungs mit den roten Strapsen

Daniel Sander holt wieder mal die schillernde Welt des Kabaretts ins Bonner Schauspiel

Bonn. Die Showtreppe braucht nur fünf Stufen für den ganz großen Auftritt, wenn Daniel Sander wieder mal die schillernde Welt des Kabaretts ins Bonner Schauspiel holt: Paris, reizvoll bunt mit Berlin und New York zum animierenden Cocktail gemixt, in der Halle Beuel, die Bühnenbildner Hans Georg Schäfer mit rotem Samt, silbern glitzerndem Vorhang und kleiner Bar in ein hübsch verruchtes Belle-Epoque-Etablissement verwandelt hat.

"What we are, is an illusion" tönt es am Anfang. Mit den schönen Illusionen des Theaters spielen Sander und seine sieben bezaubernden "Friends" so perfekt, dass all die Götter - vor allem die Göttinnen! - des Show-Pantheons vor Neid erblassen könnten.

Sie würden aber wohl eher schmunzeln über die parodistische Hommage, die ihre Göttlichkeit bestätigt. Auch in der neuen Variante von "Oh Lala" sind sie alle wieder da: Josephine Baker im Bananenröckchen, Zizi Jeanmaire mit ihrem legendären "Truc en plumes", Loie Fullers jugendstiliger Schleiertanz, Edith Piafs "Je ne regrette rien", Marlene Dietrichs ""lauer Engel", Lale Andersens "Lili Marlen", Marilyn Monroes hochgebauschter Rock über dem Abluftschacht, die streitbaren "Wilmersdorfer Witwen" und natürlich Soeur Sourires frommer "Dominique" mit dem frechen Nonnen-Cancan.

Man hört die berühmten Stimmen vom Band, aber man sieht kein banales Playback, sondern verspielte tänzerische Kommentare. Es ist ja das Schöne an der Parodie, dass sie Stile überhöht und dem sinnlich kenntlichen Original noch den abgedrehten Witz des intellektuellen Wiedererkennens hinzufügt. Und das Schöne an der Travestie, dass sie das Ganze noch eins weiter dreht, Rollen tauscht und die Darsteller dahinter kenntlich macht. Sarah Bernhardt spricht mit überwältigendem Pathos den Monolog von Napoleons zwanzigjährigem Sohn aus Rostands "L''aiglon", ein junger Mann spielt dazu eine Frau, die einen jungen Mann spielt, der eine Frau sein könnte.

Überhaupt: Das ironische Oszillieren zwischen Männlich und Weiblich, Groß und Klein - Sanders (teilweise neues) Ensemble beherrscht es mit schnellen Kostümwechseln und skurrilen Maskeraden vorzüglich. Sie sind einfach schön, seine kessen, und tänzerisch eleganten Jungs: Hajo von Betzen, Ion Paul Didin, Felix Grützner, Jörg Hawlitzek, Thomas Heidorn, Martin Rabe und Nils Reschke, die im Ensemble und in vielen Solos glänzen. Da lugen keck ein paar männliche Brusthaare aus den fetzigen Hurenhemdchen, und der Lederkerl strippt lasziv bis zu den roten Strapsen. Alles oberflächlich ganz jugendfrei; die raffinierte Erotik knistert nur im Kopf.

Über allem thront ohnehin der geniale tänzerische Esprit von Daniel Sander, dessen Glanznummern unübertrefflich bleiben: die zarte "Biedermeier Libelle", die ohrenbetäubende "Königin der Nacht" der Florence Foster-Jenkins, die geheimnisvolle "Mona Lisa" und die unverwüstliche "Miss Pink", deren pelzige Spinne alle Fans mitfühlend an den Busen drücken möchten. Beim uralten "Pas de Quatre" treibt es ihn und seine Partner im weißen Tüll sogar fast schwerelos auf die klassische Ballettspitze.

Hinreißend komisch ist die turbulente Revue 2002, die mit neuen Programmkonstellationen noch an Tempo und Witz gewonnen hat. Was wäre Bonn ohne die jährliche neue Auflage von "Oh Lala"? Tiefste, verschlafene Provinz! "Oh Lala" macht schrill, gar nicht tuntig, aber hemmungslos kultig hellwach.

Ca. 2 1/2 Stunden inkl. Pause; die nächsten Vorstellungen am 5., 11., 12., 18., 20. und 26. Januar in der Halle Beuel des Bonner Schauspiels. Karten unter anderem in den Geschäftsstellen des General-Anzeigers.

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