Summerjam-Festival in Köln Die Kraft der „Vibes“ packt jeden

Köln · Trotz Fußball-EM und kühler Witterung: Das Summerjam-Festival lockt Zehntausende Reggae-Fans an den Fühlinger See. Neben Gentleman und anderen Stars der Szene war auch eine starke Hip-Hop-Fraktion vertreten.

Wenigstens für ein paar Stunden war einem nicht gerade geringen Teil der Summerjam-Besucher „Roots, Rock, Reggae“ ziemlich egal – trotz der teuer erworbenen Festival-Karten. Samstag zwischen 21 Uhr bis kurz vor Mitternacht.

Den deutsch-italienischen Fußball-Klassiker wollten sich dann doch viele nicht entgehen lassen. So viele, dass Andrew „Mr. Summerjam“ Murphy rund zwei Stunden vor Anpfiff, kurz vor dem Auftritt des Italieners Alborosie, verkünden musste, dass auf Parkplatz 8, wo das Public Viewing stattfand, kein Platz mehr frei sei.

Primetime am zweiten Festival-Tag

Vor leeren Rängen musste in dieser Zeit dennoch keiner der Künstler spielen. Denn gerade zur Primetime am zweiten Festival-Tag war das Summerjam mit Sean Paul, Collie Buddz, Beginner sowie Gentleman, der gemeinsam mit Legenden-Spross Ky-Mani Marley den Tag auf der Mainstage beenden durfte, hochkarätig besetzt.

Die nicht ganz ernst gemeinte Befürchtung, dass Fußballfan Gentleman bei einer Verlängerung auch seinen Auftritt nach hinten verschieben werde, blieb letztlich unbegründet. Dafür ist Tilmann Otto (so der bürgerliche Name des deutschen Reggae-Stars) dann auch doch zu sehr Profi – und vor allem wohl zu sehr leidenschaftlicher Musiker und Fan der jamaikanischen Musik. Und der Auftritt der beiden, die mit „Conversations“ gerade erst ein gemeinsames Album veröffentlicht haben, zeigte zudem, dass sich da zwei Szenengrößen nicht bloß des Kommerzes wegen gefunden haben, agierten sie miteinander doch ebenso harmonisch wie die Klänge ihrer Musik.

Motto: „Back to the Future“

„Back to the Future“ lautete das Motto der 31. Ausgabe von Europas größtem Reggae-Fest. Damit wollten die Veranstalter den Schwerpunkt auf Künstler legen, „die nicht nur textlich die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre reflektieren, sondern auch deren technische Möglichkeiten und Medienformate nutzen – dabei jedoch immer die Kraft und die ,Vibes’ des Reggae respektieren“.

Vor allem am Freitag konnte man hautnah erleben, was damit gemeint ist. Denn während an diesem Tag die größere rote Bühne mit Auftritten von Die Orsons, SDP und Alligatoah eher beehrt wurde, die allesamt ein eher jüngeres Publikum anzogen, bespielten Szene-Größen wie Macka B, Raging Fyah oder Tiken Jah Fakoly die kleinere grüne Stage.

Insbesondere Fakoly und Alligatoah boten dabei nicht bloß einen musikalischen, sondern vor allem auch optischen Kontrast, der größer kaum sein könnte.

Während der ältere im Exil lebende Ivorer im afrikanischen Gewand und mit einem reichverzierten Stock in der Hand auf Französisch die Missstände der postkolonialen Zeit auf dem schwarzen Kontinent anprangert, präsentiert sich der „Willst du“-Rapper in einem riesigen regenbogenfarbenen Heißluftballon, verkleidet als exzentrischer Dandy, während seine Bandmitglieder als halbnackte Engel musizieren. Intelligente, gesellschaftskritische Musik – wenn man sich die Mühe macht und zuhört – wurde am Ende von Vertretern aller Genres gespielt.

„Die Kraft und die Vibes des Reggae“

Noch jemand schien übrigens „die Kraft und die Vibes des Reggae“ respektiert zu haben: Jah. Die vielen Lobpreisungen der Vollzeit-, Teilzeit- bis Hobby-Rastafaris rund um den Fühlinger See zeigten offenbar ebenso Wirkung wie das friedliche Miteinander: Der von vielen im Vorfeld befürchtete Regen blieb weitestgehend aus. Man könnte sagen: Er wurde einfach friedlich tanzend vertrieben.

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