Ausstellung im Landesmuseum Die Krim als antike Drehscheibe der Kulturen

Bonn · Auf der großen begehbaren Landkarte im Entree des Landesmuseums sind es nur ein paar Schritte vom gewohnten Griechenland zur sagenumwobenen Krim und den Mächten, die hier wirkten.

 Kostbarer Grabfund: Spiralförmiger Halsring und weitere Schmuckstücke aus dem Hügel von Nogajcik.

Kostbarer Grabfund: Spiralförmiger Halsring und weitere Schmuckstücke aus dem Hügel von Nogajcik.

Foto: Kliemann

Zum Beispiel der "Hannibal des Ostens": Bei Mithridates VI. Eupator gerät der Archäologe Wolfgang Schmauder, Kurator der Ausstellung "Die Krim. Goldene Insel im Schwarzen Meer. Griechen - Skythen - Goten" im Bonner LVR-Landesmuseum, in Verzückung.

"Eine absolute Lichtgestalt", nennt Schmauder den 132 vor Christus am Schwarzen Meer geborenen Gegenspieler Roms, "seine Biografie ist wie ein Krimi". Sie ist im exzellenten Katalog nachzulesen, wird in der Ausstellung leider nur gestreift. Denn es geht um die Krim im engeren Sinne.

Von der Krim kennt man gewöhnlich wenig mehr als den Krimsekt. Literarisch Beflissenen ist Goethes Drama "Iphigenie auf Tauris" ein Begriff. Mit den Taurern, einem Volk von Reiternomaden und Hirten, rückt die Region der Halbinsel Krim am nördlichen Ufer des Schwarzen Meeres mit ihren fruchtbaren Steppen und dem mediterranen Flair im Süden in den Brennpunkt der Geschichte.

Die Taurer sind eines von mehr als einem Dutzend Völkern, die im Laufe von fast zwei Jahrtausenden ihre Begehrlichkeiten aus wirtschaftlichen oder geopolitischen Motiven auf die Krim lenkten; die Skythen, Griechen und Römer, das byzantinische Reich, die Reiter der Hunnen und Mongolen, später dann die Venezianer und Genuesen, zuletzt das Osmanische Reich und die Russen haben dieses Land, das etwas größer als Sizilien ist, geprägt.

Der Archäologe Schmauder übertreibt nicht, wenn er von einer "ungeheuren Dynamik" spricht und die Krim als "Ausnahmeregion innerhalb Europas" bezeichnet. Die Wege der Argonauten-Saga haben die Krim ebenso gestreift wie das Handelssystem der Seidenstraße, die Griechen haben den Süden kolonisiert, die Halbinsel mit tätiger Unterstützung durch die Skythen zur Kornkammer Athens ausgebaut.

Der Kulturtransfer, das Geben und Nehmen stehen im Mittelpunkt dieser Ausstellung, die zum Teil erstmals außerhalb der Krim gezeigten Stücke stammen aus der Epoche zwischen dem fünften Jahrhundert vor und dem fünften Jahrhundert nach Christus.

Anhand von 550 Exponaten wird die Konfrontation der griechisch-hellenischen Welt an der Krim-Küste mit den Reiternomaden der Skythen und anderen dokumentiert. Der Besucher sieht etwa das Prunkschwert mit einer goldenen Scheide eines sehr reichen Skythenkönigs, das dieser in einer griechischen Werkstatt fertigen ließ, die offensichtlich auf Aufträge aus dem fremden Kulturkreis spezialisiert war.

Während sich die Skythen häufig an den Hellenen orientierten, führten die Griechen im Süden der Krim ein Leben wie im 600 Kilometer entfernten Athen: Die Ausstellung gibt einen Eindruck des Alltags in der griechischen Kolonie Chersonesos - vor wenigen Tagen wurde die Stadt zum Welterbe der Unesco gekürt.

Wunderbar erhaltene Architekturteile mit seltenen Resten originaler Bemalung zeugen von einer hohen Kultur, Fragmente eines sogenannten Scherbengerichts, durch das über die Verbannung eines potenziellen Tyrannen abgestimmt wurde, berichten von demokratischen Strukturen.

Der sensationellste Fund gelang erst vor wenigen Jahren: An der Westküste der Krim, im Gräberfeld Ust?-Al'ma gruben Archäologen etwas aus, was Schmauder als "eine Art dünnen Film" bezeichnet. Der großen Umsicht der ukrainischen Forscher sei es zu verdanken, dass das Relikt gerettet und als Lackschicht als eine inzwischen verwitterten chinesischen Schatulle für Kosmetika, ein antikes Beauty-Case, identifiziert wurde.

Eine Kostbarkeit aus China, die über die Seidenstraße auf die Krim gelangt ist: Für Kuratorin Valentina Mordvinceva, die 2008 im Rahmen eines Humboldt-Stipendiums am Bonner Universitätsinstitut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie forschte und über die Funde berichtete, war das eines von weiteren Indizien dafür, dass die Krim eine bislang unterbelichtete kulturelle Drehscheibe zwischen Asien und dem Mittelmeerraum war.

Die sensationellen Lackfragmente - als westlichste Funde waren nur welche in Afghanistan bekannt - wurden mit Mitteln der japanischen Sumitomo-Stiftung vom Lackmeister Shosai Kitamura restauriert, der in seiner Heimat als "lebender nationaler Kulturschatz" gilt. Die äußerst aufwendig restaurierten Kästchen werden in Bonn erstmals überhaupt einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Die Lackoberfläche besteht aus bis zu 200 Schichten.

Zu den weiteren Attraktionen der Krim-Schau zählen goldene Lorbeerkränze und Grabsteine wie der des langmähnigen Sarmaten-Kriegers mit dem hellenischen Namen Staphilios, der sich mit griechischem Dekor bestatten ließ.

Zauberhaft ein nicht ganz acht Zentimeter kleiner Delfin mit Kopf und Schwanzflosse aus Gold und dem geschwungenen Körper aus durchsichtigem Bergkristall: Ein Meisterwerk der Schmuckkunst aus dem ersten Jahrhundert vor Christus, das mit weiteren spektakulären hellenistischen Geschmeiden im Grabhügel von Nogajcik auf der Krim gefunden wurde. Welcher Kultur genau diese reiche Frau angehörte, was genau die übermäßige Fülle an Grabbeigaben zu sagen hat, gehört zu den ungelüfteten Rätseln dieser faszinierenden Ausstellung über die Krim als Drehscheibe der Kulturen.

LVR-Landesmuseum, Colmantstraße 14-16; bis 19. Januar 2014. Di-Fr 11-18, Sa 13-18 Uhr. Katalog (Primus) 19,90 Euro

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