Online-Handel Die Kunden gehen ins Netz

Die Online-Versender melden steigende Umsätze und setzen die großen Handelsketten unter Druck.

 Literatur am Gefrierpunkt: Das Internet-Kaufhaus Amazon hat 2009 die "heißesten Neuerscheinungen" in Eis gepackt und zur Frankfurter Buchmesse gebracht.

Literatur am Gefrierpunkt: Das Internet-Kaufhaus Amazon hat 2009 die "heißesten Neuerscheinungen" in Eis gepackt und zur Frankfurter Buchmesse gebracht.

Foto: dpa

Herzlichen Glückwunsch, Bonn. Die Stadt ist hinter Mainz die belesenste Stadt Deutschlands. Das hat eine Studie des Online-Händlers Amazon ergeben. Bonn, glaubt man der am 13. März veröffentlichten Untersuchung, gehört nicht nur zu den lesefreudigsten Städten. Die Bonner, so Amazon, würden auch liebend gerne kochen und verreisen. Kurz: Hier ist die Lebensqualität zu Hause.

Amazon spiegelt wie kaum ein anderer Dienstleister die dramatischen Veränderungen auf dem Buchmarkt in den vergangenen Jahren wider. Früher ging man zum Buchhändler seines Vertrauens und versorgte sich mit Lesefutter. Vor gut zehn Jahren wurden noch 60 Prozent aller Bücher in Buchläden verkauft, heute sind es nur noch gut 50 Prozent. Man hat die Qual (oder den Luxus) der Wahl, es gibt mehrere Wege, das gedruckte Wort ins Haus zu holen.

Die Buchabteilung des Online-Händlers Amazon beispielsweise ist 365 Tage im Jahr rund um die Uhr geöffnet, und immer mehr Menschen nutzen die Möglichkeit, ihre Bestellungen am Computer aufzugeben. Damit nimmt Amazon dem stationären Buchhandel Umsatz weg. Das Fachblatt Buchreport schätzt den gesamten Medienumsatz von Amazon im deutschsprachigen Markt auf 1,6 Milliarden Euro.

Überdies findet das digitale Buch, das E-Book, auf Tablet-Computern immer mehr Leser. 4,7 Millionen Bücher haben sich Leser 2011 kostenpflichtig aus dem Internet heruntergeladen. "Wir sind angekommen in einem E-Book-Markt", freute sich Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, auf der Leipziger Buchmesse. Den Umsatzrückgang im klassischen Sortimentsbuchhandel nannte Honnefelder massiv. Das war die schlechte Nachricht.

Wachstum im Online-Handel hält an

In Zahlen ausgedrückt (Quelle: Börsenverein) stellen sich die Verhältnisse folgendermaßen dar. 2010 betrug der Gesamtumsatz buchhändlerischer Betriebe in Deutschland rund 10 Milliarden Euro (plus 0,4 Prozent gegenüber 2009). Der Internet-Umsatz lag bei 1,351 Milliarden Euro (plus 14,1 Prozent), das entspricht einem Marktanteil von 13,8 Prozent. "Die Zahlen für 2011 liegen uns leider noch nicht vor, es ist aber davon auszugehen, dass diese gegenüber dem Vorjahr nicht gesunken sind", teilte Börsenverein-Sprecherin Dagmar Hoppe mit.

Das Wachstum im Online-Handel hält an, in den nächsten fünf Jahren könnte der Anteil des Onlineverkaufs auf bis zu 25 Prozent steigen, ist von Buchmarktexperten zu hören. "Im Publikumsgeschäft erweist sich das Online-Shopping als die stark verändernde, dynamische Kraft", bilanzierte "Buchreport". Und der Buchhandel reagiert.

In Köln wird Anfang 2013 die Buchhandlung Thalia Gonski am Neumarkt geschlossen. Die Fläche habe sich mit rund 1600 Quadratmetern langfristig als zu groß und "hinsichtlich ihrer Flächenaufteilung als zu schwierig zu betreiben" erwiesen, teilte das Unternehmen mit. 30 Mitarbeiter sind von der Schließung betroffen. In Berlin hat Hugendubel seine Filiale an der Tauentzienstraße aufgegeben. Zwar soll es einen neuen Laden geben, aber der wird mit 2000 statt bisher 4500 Quadratmetern aussehen wie ein kleiner Bruder der dahingeschiedenen Groß-Filiale.

Der Trend zu Schließungen und Verkleinerungen kündet womöglich vom Ende der XXL-Buchhandlungen. Deren Umsätze steigen nicht im gleichen Maße wie die Kosten. "Wir müssen weg von den überdimensionierten Buchhandlungen", hat kürzlich der Vorstandschef von Douglas, Henning Kreke, erklärt. Zu seinem Portfolio gehören in Bonn Bouvier und Thalia im Metropol. Zuletzt war spekuliert worden, die Buchhandlungen stünden zum Verkauf. Douglas hat unterdessen erklärt, die angeschlagene Buchhandelskette Thalia im Konzern zu halten, sie solle aber neu aufgestellt werden.

Über kleinere Flächen und einen Wandel von Buchhandlungen zu breiter aufgestellten "Inspirationshäusern" spekulierte kürzlich "Buchreport". Für den Standort Bonn hätten Überlegungen dieser Art kurzfristig keine Auswirkungen, bekräftigte Thalia-Unternehmenssprecherin Mirjam Berle: "Aktuell gibt es keine Pläne, die Buchhandlung im Metropol zu verändern."

Kreative Lösungen gefragt

Die Thalia Holding ist, Krise hin, Krise her, die Nummer eins der Buchhandlungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Umsatz 2011: 1,015 Milliarden Euro. Dazu trägt nicht unwesentlich das Geschäft mit Nebenprodukten - Marketingjargon: "Nonbooks" - bei. Im Angebot sind unter anderem Kuscheltiere, Kalender und Computerspiele. Thalia erzielte 2011 hiermit einen Umsatz von 20 Prozent. Kritiker rümpfen die Nase und sprechen von Gemischtwarenhandel. Der Online-Shop von Thalia sei "gut aufgestellt", sagte Sprecherin Mirjam Berle. Er trägt 14 Prozent zum Gesamtumsatz bei.

Die Krise im Buchhandel zwingt die großen Spieler auf dem Markt zu kreativen Lösungen: von Inspirationshäusern bis zum Geschäft mit den "Nonbooks". Mit dieser Art von Krisenmanagement müssen sich die kleinen, überschaubaren Buchhandlungen nicht beschäftigen. Sie sorgen sich allenfalls um die E-Books und konzentrieren sich nach wie vor auf ihr Kerngeschäft.

Holger Schwab, Geschäftsführer vom Bonner Buchladen 46, teilt die Welt der Kunden in zwei Kategorien ein. Die einen passen ins Amazon-Profil ("Es kommt der Bequemlichkeit der Leute entgegen"), die anderen legen Wert auf persönliche Beratung und fachliche Expertise.

Finden Sie, dass die Rezension richtig ist? Haben Sie das Buch gelesen?" - mit solchen Fragen lässt Schwab sich im Laden an der Kaiserstraße gern traktieren. "Dadurch wird der Buchladen lebendig", sagt er. "Das macht das Leben angenehm", beschreibt er kleine Glücksgefühle des Berufsalltags. Außer Tee hat Schwab nur Bücher im Angebot, architektonische Veränderungen erscheinen ihm nicht dringlich. Allerdings will er die Internetpräsenz des Buchladens verbessern, ganz ohne geht es denn doch nicht. Kunden können im Netz Bücher bestellen, die sie dann im Buchladen 46 abholen.

Thomas Dohme, Geschäftsführer der Schweitzer Fachinformationen, zu denen die Buchhandlung Witsch + Behrendt im Bonner Zentrum gehört, weist nicht ohne Stolz auf seinen Internet-Shop hin. Auch das Geschäft mit E-Books werde man "noch stärker präsentieren". Aber, darauf legt Dohme Wert: "Parallel dazu bemühen wir uns wie immer im Laden um unsere Kunden und bieten freundliche, kompetente und verbindliche Beratung. Aus vielen Kundenrückmeldungen wissen wir auch, dass dies weiterhin sehr geschätzt wird."

Es besteht mithin kein Anlass, das Totenglöcklein für den analogen Buchhandel zu läuten. Und auch das Buch, wie wir es kennen und schätzen, wird die digitale Konkurrenz aushalten. Es ist oft totgesagt worden, erfreut sich aber nach wie vor bester Gesundheit. Claudia Paul vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels weiß, warum: "Ein gedrucktes Buch hat ganz besondere haptische Qualitäten." Das macht es fit für die Zukunft. Paul: "Das Buch wird das Leitmedium bleiben."

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