Kurfürstliches Gärtnerhaus in Bonn Die Macht der Erinnerung in einer Doppelausstellung

BONN · Wie alltägliche oder gar einschneidende Erfahrungen zu komprimierten Erinnerungen verschmelzen, welche Rolle in diesem Prozess Intellekt und Psyche spielen oder wie sich das biografische Gestern auf den Daseinszustand von Heute und Morgen auswirken, diesen komplexen Schwerpunkten spüren derzeit Annette Kipnowski und Vera Siepen nach. "Erinnerung - eine Form der Begegnung" nennt sich ihr tiefgründiges Projekt.

Abstrakte und weitgehend konkrete Malerei sowie Objektkunst sind die Instrumentarien dieser sehenswerten, im Kern um die existenziell belichteten Schlüsselphänomene Lebenszeit und Menschenschicksale kreisenden Forschungsstudie. Das vornehmlich in Grauklaviaturen und dunklen Nuancen beschickte Ensemble liefert insgesamt für den Ausstellungsbesucher anregende Projektionsfelder.

Empirische Materialien, wie kontinuierliche Gespräche mit betagten Menschen bilden für die Medizinerin und Diplompsychologin Kipnowski (Jahrgang 1950) den Humus für eine szenisch aufbereitete Bildwelt, begleitet von ausdrucksstarken Porträts. So lotet die von malerischer Montage und halluzinativem Ambiente gespeiste Trilogie "Das Leben des Theo S." auf nahegehende Weise die Auswirkungen dementer Geisteszustände aus.

Ein Pendant von Wandteppichen skizziert wiederum biografische Meilensteine von respekteinflößenden Trümmerfrauen. Insgesamt verdichtet die Künstlerin die Motive Geschichte und Erinnerung in gleichsam erzählenden, modellhaft konzipierten Physiognomien wie "Gerda H." oder in einer musterhaften Installation, wo zusammengewürfelte Schicksalsgemeinschaften wir etwa Altenheime einer Analyse unterzogen werden.

Wie sich eindringliche, mit emotionaler Intensität befrachtete Erlebnisse nachhaltig einkerben in Geist, Seele sowie Erbsubstanz (Forschungszweig: "Epigenetik"), diese Spur verfolgt die Diplomgrafikerin Siepen in kryptisch bemalten Steinfundstücken, in fiktionalen Gehirnformationen (Aluminiumguss) und mit Scherenschnitten behafteten Collagen. Die poetisch grundierten Farbräume der in Hennef lebenden Künstlerin (Jahrgang 1968) beschwören hingegen das immerwährende Pendeln zwischen Höhenflügen und Talstürzen herauf.

Info

Kurfürstliches Gärtnerhaus, Beethovenplatz, bis 11. September. Di - Sa 14 bis 18 Uhr, So 11 bis 14 Uhr.

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