Ausstellung Die Magie der Zeichen

Köln · Das Kölner Museum für Ostasiatische Kunst zeigt chinesische Kalligraphie aus drei Jahrtausenden

Es ist ungefähr so, wie wenn ein Analphabet in eine europäische Buchhandlung geht, dort naturgemäß Schriftzeichen bloß als mehr oder weniger gelungene ästhetische Phänomene wahrnimmt, ohne deren Inhalt entschlüsseln zu können. Doch die chinesische Kalligraphie mache es dem westlichen Schriftunkundigen leichter, verspricht Adele Schlombs, Direktorin des Ostasiatischen Museums in Köln.

Warum es für den Europäer gar nicht so schwer sei, sich chinesischer Schriftkunst als Analphabet auf diesem Gebiet zu nähern, erklärt Schlombs mit der Magie, mit der Ästhetik dieser Zeichen, die gleich zu Beginn der Ausstellung „Magie der Zeichen – 3000 Jahre chinesische Schriftkunst“ in einer Großprojektion mittels Tuschpinsel auf ein Blatt Papier geworfen werden. Meditation, Gestik, Selbstfindung, alles steckt in dieser Zeichenschrift, die eben kein Alphabet ist, sondern ein System, das die Systematik der Welt erschließt. „Man kann das chinesische Schriftsystem mit einem aus 214 Einzelelementen bestehenden Setzkasten vergleichen, aus dem sich mehr als 54 000 unterschiedliche Charaktere kombinieren lassen“, informiert das Museum.

Weniger didaktisch denn sinnlich umkreist die Schau die Magie der Zeichen, führt den Aristokraten und von der Politik zurückgetretenen hohen Beamten Wang Xizhi ein, den größten Kalligraphen des 4. Jahrhunderts. Und konfrontiert den Besucher gleich mit einem veritablen Kunstraub.

Wang Xizhis Hauptwerk ist das „Vorwort vom Orchideenpavillon“. Die feine Kalligraphie war die Einleitung zu einer Gedichtesammlung, die anlässlich einer Gartenparty feuchtfröhlich feiernder Dichter in Wang Xizhis Orchideenpavillon am Rande eines idyllischen Bächleins entstand. Ein prächtiger Fächer aus dem 16. Jahrhundert kolportiert das hochgeistige Gelage in einer wild wuchernden Naturszenerie.

Wang Xizhis Schriftkunst weckte Begehrlichkeiten. Eine Mitte des 14. Jahrhunderts mit Tusche und einem Hauch von Farbe verzierte Querrolle berichtet, wie Kaiser Taizong sich durch eine List in den Besitz des berühmten „Vorwort“-Originals brachte. Mit dem ließ sich der Monarch 649 begraben, nicht ohne vorher ein Faksimile in Auftrag gegeben zu haben.

Dieses ist von vielen kopiert worden. Die Kopie an sich ist nicht nur Vehikel zur Meditation, sondern auch der Weg zu Perfektion und Meisterschaft des Ausdrucks. Mönche und Händler brachten Wang Xizhis Schriftkunst nach Japan. Die Ausstellung zeigt die wilde Adaption des avantgardistischen Kalligraphen Kameda Bosai aus der Edo-Zeit, in der die Zeichen zu einem abstrakten Ornament, einem fiebrig vibrierenden Schriftbild verschmelzen.

Kunst und Schrift gehen hier ineinander über, eine Tendenz, die bis in die aktuelle chinesische Kunst reicht, die die Kalligraphie als Ausdrucksform und meditative Technik wiederentdeckt hat und in der Schau sehr schön die Ambivalenz von Schriftgestalt und Naturerscheinung herausarbeitet.

Man erfährt in der Ausstellung, die großteils aus dem eigenem Bestand und Leihgaben aus dem Zürcher Museum Rietberg bestückt wurde, dass auch Mao ein großer Kalligraphie-Freund war, eine schwer zu entschlüsselnde „wilde Konzeptschrift“ pflegte und im Zuge der Kulturrevolution die früher nur höheren Kreisen vorbehaltene Kalligraphie breiten Schichten erschloss. Ein Plakat zeigt Arbeitermädchen und den Slogan „Nehme den Kampf mit dem Pinsel auf, kämpfe bis zum Ende.“

Maos Enkel zeigen in der spannenden Ausstellung, dass es auch ohne Kampf, dafür mit viel Empathie geht.

Museum für Ostasiatische Kunst, Köln; bis 17. Juli. Di-So 11-17 Uhr.

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