Art Cologne vom 14.-17. April Die Mutter aller Kunstmessen wird 50

Köln · Die 50. Art Cologne: Der 1967 gestartete Kölner Kunstmarkt feiert Jubiläum und blickt zurück auf eine wechselvolle Zeit. Der Beginn war sensationell, Köln wurde zum Nabel der Kunstwelt. Dann kamen Krisen und Konkurrenten. Der Experte Günter Herzog im GA-Interview.

 Abendstimmung mit Kunst von Paul Schwer (2009)

Abendstimmung mit Kunst von Paul Schwer (2009)

Foto: Franz Fischer

Vor 50 Jahren, 1966, hatten die beiden Kölner Galeristen Hein Stünke und Rudolf Zwirner die Idee, eine Art „documenta“ für den damals darbenden deutschen Kunsthandel zu veranstalten, eine Verkaufsausstellung, die für einige Tage im Jahr alle fortschrittlichen Galerien an einem Ort versammelt. 1967 gab es dann den ersten Kunstmarkt im Kölner Gürzenich, Geburtsstunde der Art Cologne. Zur Jubiläumsmesse (14. bis 17. April) bringt das Zentralarchiv des Internationalen Kunsthandels (Zadik e.V.) einen 400 Seiten umfassenden, so informativen wie unterhaltsamen Band heraus. Günter Herzog vom Zadik hat maßgeblich daran mitgewirkt. Insbesondere über die Anfänge sprach er im GA-Interview mit Thomas Kliemann.

Sind Sie nicht mit Ihrem Jubiläumsband ein bisschen früh dran? Es ist zwar die 50. Art Cologne, aber „erst“ der 49. Jahrestag.
Günter Herzog: Wenn man weiß, dass die Vorbereitungen zum Kunstmarkt schon 1966 begannen, es dann eine Weile bis zum Start dauerte, kommt das schon hin mit dem 50. Der Band ist das dickste Ding bisher, umfangreicher als die Bücher zum 20. und 30. Jahrestag. Sechs Monate haben wir daran gearbeitet. Pünktlich zur Vernissage soll es erscheinen.

Mit welchen Quellen haben Sie gearbeitet?
Herzog: Unsere Basis ist das Archivmaterial des Zadik. Wir haben hier die kompletten Messearchive bis ins Jahr 1974, die Zeit, in der der Verein Progressiver Deutscher Kunsthändler die Messen organisiert und ausgerichtet hat. Nach 1974 organisierte die Kölnmesse den Kunstmarkt und hat den größten Teil der Akten weiter geführt. Auf die Dokumente des Bundesverbandes Deutscher Galeristen und Kunsthändler, die 1975 gegründete Nachfolgeorganisation des Vereins Progressiver Kunsthändler, konnten wir weiter bei uns im Hause zurückgreifen.

Das klingt nach viel Aktenstaub. War die Lektüre denn ergiebig?
Herzog: Presseberichte waren besonders wichtig. Ich habe schätzen gelernt, was Sie als Journalisten leisten, wenn sie über das Was-bei-wem-wieviel-gekostet-hat hinausgehen. Ich habe mich über Klatsch und Tratsch gefreut, Hintergründe, Bewertungen. Wenn aber alleine diese Pressespiegel schon zehn Regalmeter füllen, kann es manchmal etwas anstrengend werden, das alles zu lesen. Außerdem mussten wir Zigtausend Fotos sichten, um ein paar auszusuchen, die in das Buch kommen. Wir haben Fotografen bevorzugt, die die Szene gut kennen, etwa Franz Fischer, Benjamin Katz, Angelika Platen und Georg Hermann. Die haben wichtige Protagonisten gekannt, Situationen erfasst, die interessant und aussagekräftig sind.

Sie haben im Auftrag der Messe recherchiert. Durften Sie auch über negative Entwicklungen schreiben?
Herzog: Wir beschreiben die Krisen, bringen Zitate etwa von Rudolf Zwirner wie „wenn der Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG) sich jetzt nicht zurückzieht, ist die Art Cologne tot“. Wir zeigen den offenen Brief der Kölner Galerien, die sich über die Gründung der Art Palma de Mallorca beschwert haben und meinten, die Kölnmesse solle zunächst einmal die Art Cologne optimieren, bevor sie eine weitere Messe gründe. 1976 gab es Überlegungen, die Messe völlig einzustellen. Eine Antwort auf die schwere Kunstmarktkrise nach dem ersten Ölschock 1973 und auf die Gründung der Art Basel 1970.

...die große und letztlich einzige ernste Rivalin der Art Cologne.
Herzog: Die Art Basel ist unschlagbar, da das ganze Geld schon da ist, nicht einmal die Grenzen überschreiten muss. Mit diesem Standortvorteil kann niemand mithalten.

Welches Profil setzt die Art Cologne dagegen?
Herzog: Die Art Cologne wurde Mutter aller Kunstmessen genannt, was die Organisatoren zu altbacken fanden. Deshalb heißt es jetzt: Die erste aller Kunstmessen. Natürlich nicht die erste aller Messen, sondern die erste für moderne und zeitgenössische Kunst.

Es hat ja immer wieder Konkurrenten gegeben, doch die Art Cologne hat sich durchgesetzt. Was hat sie, was andere nicht haben?
Herzog: Die absolute Konstante ist die Sammlerdichte im Rheinland. Das ist historisch bedingt. In der Nachkriegszeit ist das Rheinland die Keimzelle der Kunstentwicklung. Hier arbeiteten die Künstler, hier gab es mehr Sammler – private und Unternehmen – als sonst wo in Europa. Der Eisenbahnknoten in Köln, die Vernetzung mit den Benelux-Ländern sind weitere Komponenten.

Der Erfolg war aber mehr als nur eine Kette von Standortvorteilen.
Herzog: In den frühen Jahren herrschte so etwas wie ein Pioniergeist. Die Galerien und der Kölner Kulturdezernent Hackenberg haben damals alle an einem Strang gezogen. Davon hat die ganze Stadt profitiert. Und sie stand zu ihrer Messe. Sie war eingebettet in ein Feuerwerk auch von städtischen Events. Ich kann mich erinnern, dass ich als Gymnasiast nach Köln gefahren bin, weil die ganze Stadt von der französischen Theatertruppe Le Grand Magique Circus bespielt wurde.

Wie definiert sich die Art Cologne im Konzert der Messen?
Herzog: Die Art Cologne ist eine Mittelstandsmesse in der Preisklasse bis zehn Millionen Euro. Die Art Basel und die Tefaf in Maastricht – man nennt sie Oligarchenmessen – bewegen sich in anderen Regionen. Wirklich haarsträubende Preise werden auf Auktionen gezahlt. Die Art Cologne ist immer auf dem Teppich geblieben.

Gehen wir doch einmal in Ihren Jubiläumsband und blicken auf die Anfänge.
Herzog: (blättert) Wir starten unsere Dokumentation mit dem sauber getippten „Vorschlag zu einer Kölner Messe Moderner Kunst“ vom März 1966 und einem Foto mit Dachlattenkojen 1967 im Gürzenich.

Alles traute Einigkeit?
Herzog: Natürlich gab es schon 1967 Stunk: Der Münchner Galerist Heiner Friedrich durfte nicht mitmachen, organisierte mit Konrad Lueg, Blinky Palermo, Sigmar Polke und Gerhard Richter die Gegenausstellung „Demonstrative 1967“ im Studio DuMont. Und es gab versteckte Kritik: Rudolf Springer meinte „Ich konnte Messen nie leiden, obwohl die damals sehr schön war. Sie war sehr übersichtlich, und alle bemühten sich sehr.“ Die Kölnische Rundschau titelte „Op und Pop und Schock: Im Gürzenich ist Markt – Progressive Kunst mit Bürgerschreck-Effekten.“ Die Presse bewertete den Kunstmarkt als Sensation.

Das klingt eher nach tiefer Skepsis.
Herzog: Manchen erschien der Kunstmarkt in der Tat als zu elitär, die Verbindung von Kunst mit Geld galt als suspekt. Es gab Nebenveranstaltungen im Kunstverein und immer wieder Gegen-Messen wie den Neumarkt der Künste. Der große Anfangsfehler der Messe lag in der Position der hiesigen Galeristen, die meinten, wir haben hier in Deutschland viel investiert in die Verbreitung französischer, englischer und US-amerikanischer Kunst, und jetzt möchten wir auch unter uns bleiben und keine ausländische Konkurrenz haben. Das kann man verstehen. Das war aber ein Fehler. Man hätte von Anfang an internationale Galerien zulassen sollen. Dann wäre vielleicht die Art Basel nicht gekommen.

Man ist geneigt, Messen unter dem materiellen Aspekt zu sehen, spektakuläre Verkäufe zu registrieren. Wann ging das in Köln los?
Herzog: Schon der erste Kunstmarkt war ein riesiger finanzieller Erfolg. „Das Rudel“ von Josef Beuys war 1969 das erste Kunstwerk, das auf dem Kölner Kunstmarkt die 100.000-Mark-Marke für einen deutschen Künstler knackte. René Block wollte ein Exempel statuieren. Er fand Beuys toll. Er ging über die Messe, schaute nach, was zum Beispiel ein Robert Rauschenberg kostete und sagte sich: Das willst du auch für Beuys. Rauschenberg kostete 100.000 Mark, er setzte Beuys' „Rudel“ auf 110.000 Mark und zitterte bis zum letzten Messetag. Schmela kam vorbei, sagte „hier sind 40.000 Mark, verkauf's mir“. Block blieb hart. Am letzten Messetag erschien Jost Herbig und kaufte das Stück für 110.000.

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