Kölner Art.Fair Die NSA-Affäre hat die Kunst erreicht

Köln · Wer meint, Kunst könne nicht blitzschnell reagieren, der sollte folgendem Dialog in Schönschrift folgen: "Hi Angie. I'm so sorry! CU Barack" - "Hallo Barack, nisoschlimm. HDL Angela." Diese Zwiesprache, unendlich wiederholt, verdichtet sich bildhaft zu einem Porträt der SMS-schreibenden Kanzlerin. Der Künstler Saxa aus dem Programm der Bonner Galeriesassen, der nach dem Motto Bilder sagen mehr als tausend Worte schon Beethoven, Verdi und Helmut Schmidt verdichtet hat, landet mit "Hi Angie" einen Coup auf der am Mittwoch im Kölner Staatenhaus gestarteten "Art.Fair - Messe für moderne und aktuelle Kunst".

 Nicht mehr so geheime Botschaften: Saxas "Hi Angie" hängt in der Koje der Galeriesassen.

Nicht mehr so geheime Botschaften: Saxas "Hi Angie" hängt in der Koje der Galeriesassen.

Foto: Meisenberg

"Absolut marktfrisch" ist auch das wirklich frisch anmutende Triptychon "Gruga Bad" (1982) von Martin Kippenberger, das bislang noch nicht auf dem Kunstmarkt unterwegs war - daher "absolut martktfrisch" - und bei Michael Schultz für 1,2 Millionen Euro zu haben ist.

Mit einem Preis von 115.000 Euro weitaus günstiger hat Schultz eine fünfteilige Video-Arbeit des Koreaners Lee Leenan auf seinem Art.Fair-Stand, die unglaublich witzig und geschickt die Geschichte der Welt erzählt von der fernöstlichen Kunstidylle bis zu einem technoiden Showdown, mit wilden Mangas, ratternden Hubschraubern und Michelangelos David, der an Robert Indianas "Love"-Skulptur lehnt. Sechs Minuten dauert die bizarre Weltgeschichte. Sechs Minuten uneingeschränkter Spaß. Auf der Art.Fair eher eine Seltenheit. Denn so richtig Spaß macht diese Messe nur, wenn man den selektiven Blick beherrscht und vieles auszublenden vermag. So vieles im Angebot kommt einem von früheren Messen her bekannt vor, zu oft fällt auf, dass es im Staatenhaus offenbar keine Geschmacksgrenzen gibt: So bewegt sich diese letzte Kölner Herbstmesse im alten Domizil, bevor man 2014 in die Koelnmesse wechselt, zwischen Resterampe und Raritätenkabinett. Der oft gesuchte kleinste gemeinsame Nenner ist eine möglichst enge Anlehnung von malerischer, dekorativer Fotografie an fotorealistische, ins Fantastische oder Erotische driftende Malerei.

Sex sells, dieser Devise folgt man auf der Messe gerne, sogar der Platzhirsch Schultz ist nicht davor gefeit: In seiner Abteilung "Contemporary" zeigt er mit Seil kunstvoll verzurrte und tätowierte dralle Asiatinnen - Fotos von Annette Merrild. Der unverwüstliche Pop-Art-Chauvi Mel Ramos ist mit seinen Reklame-Nakten ebenso im Staatenhaus dabei (Pop Art Shop) wie die Hochglanzkörper von Guido Argentini (Bart Gallery, Köln) oder ein Kunstleder-Penis mit Wollschaft von Mai Tabakian (MH Gallery).

Es geht auch anders: Die Galerie Schrade hat museumsreife Großformate von Walter Stöhrer (zwischen 55.000 und 75.000 Euro) aus den Siebzigern im Programm, außerdem zwei lebensgroße Müll-Skulpturen von HA Schult (à 8000 Euro). Wer noch keinen handlichen Gerhard Richter fürs Wohnzimmer hat, wird im Projektraum Knut Osper fündig: Ein "Fuji"-Bildchen hängt dort für 370.000 Euro. Immendorffs "Malerhochzeit" liegt bei 59.000 Euro, eine ganz neue "Feuergouache" des ZERO-Veterans Otto Piene ist für 14.900 Euro zu haben. Ein breites Angebot an Pop Art - da kann man nichts verkehrt machen - gibt es bei Hafenrichter (Nürnberg).

Einige Entdeckungen lauern im Bereich des von Blooom geförderten Programms mit 30 Galerien, das allerdings gegenüber 2012 leider weniger Design und Fashion bietet. Doch auch andernorts wird man fündig: Etwa Stefan Strumbels aberwitzige Kuckucksuhr "Lucky Heimat" bei Die Kunstagentin (Köln), die breite Foto- und Malereipalette der Kölner Art Galerie 7 und Hans-Jürgen Raabes gelungener 990-teiliger Fotoporträtzyklus bei In Focus (Köln).

Für Menschen in Zeitnot bietet sich das Projekt des Belgiers Call Me Frank (Die Kunstgalerie, Köln) an: Für "Non sexually transmitted Children", also nicht auf üblichem Weg gezeugte Kinder, rührt er mit einer bizarren Kunst-Werbeaktion die Trommel. Es gibt Baby-Bausätze in verschiedenen Materialien und Preisklassen. Die gesamte Installation ist für 10.500 Euro zu haben. Wem das zu teuer ist, der bekommt für 25 Euro eine Sparversion aus Pappe, das billigste Kunstwerk der Messe. Baby-Machen für Bastelfreaks.

11. Art.Fair in Köln

Die traditionelle Herbstmesse Art.Fair im Kölner Staatenhaus am Rheinpark, Auenweg, richtet sich an Einsteiger und arrivierte Sammler, bietet Gegenwartskunst für jedes Budget von 90 internationalen Galerien auf 16.000 Quadratmetern. Die Messe läuft bis Sonntag, 3. November. Integriert in die Art.Fair ist das Förderprojekt "Blooom - the converging art show". Die Messe ist geöffnet: Donnerstag bis Samstag 12 bis 20 Uhr, Sonntag 11 bis 19 Uhr. Informationen im Internet: www.art-fair.de. Tagestickets kosten 15 Euro, ermäßigt 10 Euro. Zur Messe erscheint ein 248 Seiten dicker Katalog.

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