Tag der offenen Tür im Arithmeum Die Poesie der Mathematik
Bonn · Das Bonner Arithmeum stellt unter dem Titel "Poesie mit Pinsel und Lineal" seine Kunst-Neuerwerbungen vergangenen zwei Jahre vor und eröffnet morgen sein Schaudepot mit 1000 frühen Computern und PCs
Bei den Schweizer Konkreten zählte der 1989 gestorbene Maler Hans Hinterreiter zu den Mathematikern und Wissenschaftlern. Für seine geometrische Kunst berechnete er mathematisch komplexe Netzstrukturen, die er dann mit Farben füllte. 1974 etwa entstand „Opus 135 B“, ein sich zentrifugal ausbreitendes Rundbild, das einen unheimlichen Sog ausübt. Hinterreiter hatte das zugrunde liegende Netzgitter in mühevoller Hirnarbeit selbst ausgerechnet. Heute rechnet das jedes Grafikprogramm in Sekundenschnelle. Im Bonner Arithmeum kann man nun beides erleben: geometrisch-konstruktive Kunst aus einem halben Jahrhundert und die Revolution des Computers.
Am Samstag stellt das Museum des Uni-Instituts für Diskrete Mathematik an der Lennéstraße am Tag der offenen Tür unter dem Titel „Poesie mit Zirkel und Lineal“ 60 neuerworbene Bilder der vergangenen zwei Jahre vor. Außerdem öffnet das Arithmeum erstmals das benachbarte neue Schaudepot mit etwa 1000 Computern, von der Lochkartenmaschine bis zum leistungsfähigen PC neuester Bauart. „Wir wollten endlich mal zeigen, was wir haben“, sagt Museumschefin Ina Prinz, in deren Depots neben 2500 Computern etwa 10 000 Kunstwerke lagern.
Das Besondere am Schaudepot, das jetzt am Samstag und sonst nur im Rahmen von Führungen geöffnet ist, sei, dass dort neben den in fünf riesigen Glasregalen gestapelten Geräte mehrere Dutzend funktionstüchtiger Rechner und PCs in Aktion erlebt werden können. Etwa der „MITS Altair 8800“, der 1974 als erschwinglicher Bausatz für 439 Dollar, zusammengebaut für 621 Dollar, zu haben war. Der erste als „PC“ beworbene Computer war der IBM 5150, für den man 1981 satte 3000 Dollar hinlegen musste.
Der erste Rechner, der in Deutschland im Versandhandel erhältlich war
Computernostalgiker können den HP 9100A (1968) bewundern und den ersten Rechner, der in Deutschland im Versandhandel erhältlich war und zum Renner wurde: Der Commodore PET (1977-1980), dessen Nachfolger der günstige Commodore 64 für unter 600 Dollar war. Atari und Apple (Mackintosh und Lisa) sind gut vertreten. Natürlich ist auch der Apple I, eine 1975 für 666,66 Dollar verkaufte Platine mit separaten Tastatur, Monitor, Netzteil und Kassettenlaufwerk zu bewundern. Einer der von Steve Jobs und Steve Wozniak entwickelten Rechner Apple I ging 2014 bei einer Auktion in den USA für umgerechnet 716.000 Euro an das Henry Ford Museum.
Ina Prinz hat etwa für ihre Kunstkäufe fürs Arithmeum einen anderen Etat. Streng genommen: gar keinen. „Aber, wenn mit etwas gefällt, kann ich es kaufen“, sagt sie, „manchmal muss das ganz schnell gehen“. Prinz besucht Auktionen in USA und Europa, in der Regel kleine Auktionshäuser, schaut aber auch mal bei Christie's und Sotheby's vorbei.
Die Museumschefin ist gut vernetzt, und sie weiß, wann und wo sie – günstig – zuschlagen kann. So traf sie bei einer kleinen Auktion in Uppsala auf einen wunderbaren schwarz-weißen Vasarely aus den 50er Jahren. Niemand sonst war interessiert, freut sie sich. Und der Preis? Prinz redet nicht über Geld, sagt nur so viel, dass das Museum über das Uni-Institut für Diskrete Mathematik finanziert wird, das wiederum IBM zu seinen Großsponsoren zählt. Weitere Geldgeber unterstützen das Arithmeum und die Sammlung.
Was Ina Prinz gegenwärtig zeigt, kann sich sehen lassen: etwa große Namen wie Josef Albers, Aurélie Nemurs, Leon Polk Smith und Mauro Reggiani. Es sind aber auch viele hierzulande eher unbekannte Maler dabei, die eine ungeahnte farbliche und kompositorische Bandbreite der geometrisch-konstruktiven Kunst dokumentieren. „Poesie mit Zirkel und Lineal“ ist kein leeres Versprechen.