Die Steppenkrieger kommen ins LVR-Landesmuseum Bonn

BONN · Das LVR-Landesmuseum Bonn präsentiert noch bis zum 29. April sensationelle Funde der Reiternomaden aus der Mongolei.

 Berittene Krieger verfolgen ihre Gegner. Zeichnung aus dem 1. Viertel des 14. Jahrhunderts.

Berittene Krieger verfolgen ihre Gegner. Zeichnung aus dem 1. Viertel des 14. Jahrhunderts.

Foto: Katalog

Jahrhunderte lang sorgten die berittenen Horden der Steppenkrieger in Asien und Osteuropa für Angst und Schrecken. Die mongolischen Reiternomaden waren perfekt organisiert und auf technisch höchstem Niveau gerüstet. Illustrationen aus dem 14. Jahrhundert zeigen die gepanzerten Kämpfer, wie sie blitzschnell in Formation zuschlagen, mit ihrem Präzisionsbogen auf die Gegner zielen, die ziemlich panisch das Feld verlassen. Von den Steppenreitern des 7. bis 14. Jahrhunderts, die mit ihren Familien, Pferden, Schafen und Jurten von Winterlager zu Sommerlager zogen und noch in der Sommersaison gelegentlich zum Beutezug ausritten, ist nicht viel übrig geblieben.

Um so größer die Begeisterung, als Jan Bemmann, Professor für Vor- und Frühgeschichte der Universität Bonn und einer der Kuratoren der Steppenkrieger-Ausstellung im LVR-Landesmuseum Bonn, im Jahr 2008 von mongolischen Kollegen zu einem noch "erdfrischen Fund" gerufen wurde. In Felsspaltengräbern, wo die Upper Class der Steppenreiter beerdigt wurde, fanden sich spektakuläre Überreste der Nomadenkultur. Bemmann stuft sie als "sensationell" ein, zumal sich insbesondere Textilien, Holzgeräte und Pferdesättel erhalten hatten. "In unseren Breitengraden wären da nur noch die Metall-Beschläge übrig geblieben", sagt er angesichts eines ergonomisch gearbeiteten, aus verschiedenen, raffiniert zusammengefügten Bestandteilen bestehenden Sattels. Im trocken-kalten Klima und in einer Höhe von 1800 bis 3000 Metern konnten die Fundstücke in der Mongolei über 1000 Jahre fast unbeschadet überstehen.

Hinweise auf beachtlichen medizinischen Standard

Der Sattel gehörte einem jungen Mann, der vor rund 1000 Jahren in einem Felsengrab im Gebirgsmassiv Zargalant Chajrchan, 1500 Kilometer westlich der heutigen Hauptstadt der Mongolei, Ulan Bator, begraben wurde. Im Mai 2008 hatte ein Mann beim Schafehüten eine Felsspalte und die Grabhöhle entdeckt. Neben einem 1,66 Meter großen Männerskelett fanden sich Textilien, Eisenteile, besagter Sattel und ein rätselhaftes Musikinstrument. Zusammen mit weiteren archäologischen Funden der Umgebung kamen die wertvollen Stücke ins Bonner Landesmuseum und zum Fachreferenten für Frühmittelalter, Michael Schmauder. Gemeinsam mit den Restauratoren des Hauses und dem Uni-Professor Bemmann begann - unterstützt von der Gerda Henkel Stiftung - ein spannendes Projekt, eine Zeitreise in die Welt der Steppenkrieger.

Nicht allein die Restaurierung der empfindlichen Textilien und Holzstücke stand auf dem Plan des dreijährigen Projekts, es ging auch um die Erforschung der Lebensumstände in der Mongolei vor rund 1300 Jahren, erklärt Schmauder. Interessant war für die Forscher das Skelett des vermutlich mit 26 Jahren gestorbenen Steppenkriegers: Verschleißspuren wie eine Kniearthrose und etliche verheilte Brüche lassen auf einen fleißigen Reiter schließen. Rätsel gab ein ovales Loch im Schädel auf, das, so die Pathologen, von einer Trepanation, einer künstlichen Schädelöffnung, herrührt. Hinweis auf einen beachtlichen medizinischen Standard und einen geschickten Schamanen.

Waffen mit ungeheurer Treffsicherheit und Durchschlagkraft

Rätselhaft erschien den Bonnern auch das Musikinstrument, dessen Hals in einem Pferdekopf mündet. Die naheliegende Erklärung, es sei eine Pferdekopfgeige, entpuppte sich als falsch: Es handelt sich wohl um eine Winkelharfe mit fein verziertem bootförmigem Klangkörper. Die immense handwerkliche Akkuratesse der Steppenbewohner verblüffte die Wissenschaftler, wie Bemmann sagt. Das passe gar nicht zum Bild wilder Horden, wie sie etwa Caesarius von Heisterbach im 13. Jahrhundert beschrieb, als er einen Bericht über den ersten Mongolensturm in Europa verfasste (der dicke Foliant aus der Landesbibliothek Düsseldorf liegt im Entree der Schau).

Kunstvoll verleimte Reflexbögen, ebenfalls aufwendig gearbeitete, mit furcherregenden Spitzen besetzte Pfeile zeugen von einem hohen Standard. Die Waffen waren von einer ungeheuren Treffsicherheit und Durchschlagskraft. Zusammen mit den schnellen Pferden und der überlegenen Taktik der Reiter wurden diese Präzisionswaffen der Mongolen gerade in der Zeit des Dschingis Khan zum Schrecken Europas. Die Ausstellung zeigt außerdem wunderbar gearbeitete Textilien, etwa eine außen mit Damast, innen mit roter Seide gearbeitete Jacke und einen prächtigen Filzmantel. Darüber trug der Steppenkrieger dann einen Panzer aus kleinen Lederplatten - auch das ein technisches Meisterwerk.

Die anregende Ausstellung endet in einer kuscheligen Jurte und dem Mitmachbereich für Kinder und Jugendliche: Einstimmung auf ein mongolisches Frühjahr in Bonn mit vielen Veranstaltungen, Filmen, Musik, Workshops und sogar einer "Jalla World Party".

LVR-Landesmuseum, Bonn, Colmantstraße14-16; bis 29. April. Di-Fr und So 11-18, Sa 13-18 Uhr. Katalog (Primus) 19,90 Euro. Programm: www.landesmuseum-bonn.lvr.de

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