Bonner Opernbühne Die Tanzstücke "Lucky Seven" begeistern die Besucher

Rätselhaft, intellektuell, abgehoben: Merkmale, die sich zeitgenössische Choreographien gern zueigen machen, wenn sie mit hermetischer Hingabe Ringelreihen um den Elfenbeinturm tanzen. Nicht so "Lucky Seven" von Gauthier Dance: Da tritt Kompagniechef Eric Gauthier zu Beginn höchstpersönlich vor den Vorhang der Bonner Opernbühne, bezirzt das Publikum mit seinem Charme, beschreibt die sieben Tanzstücke wie eine leckere Menüfolge und verrät sogar die Zutaten von Süppchen, Hors d'oeuvre und Dessert.

 Wo Mozart zum Tanz aufspielt...

Wo Mozart zum Tanz aufspielt...

Foto: Oper Bonn

Gauthier und seine Leute vom Theaterhaus Stuttgart haben es nicht nötig, den Tanz als Kunst für wenige Eingeweihte auf die Spitze zu treiben - sie kriegen sie alle: mit Witz, Ideen, Charisma und einem tänzerischen Niveau, das jeden staunen und verstehen lässt. Wie bei "Lickety Split", Alejandro Cerrudos traumverlorener Vision von drei Männern und drei Frauen, die sich zum gelassenen Folk-Gesang von Devendra Banhart umkreisen, ineinanderfließen und wieder trennen. Gegen das leichtfüßige Liebesspiel der Luftgeister ist Hans van Manens "Old Man & Me" ein handfestes Beziehungsdrama. Gauthier selbst tanzt den Hagestolz, der mit seiner hinreißenden jungen Frau (Anna Süheyla Harms) um die Liebe kämpft, doch am Ende scheitert.

Die mit clownesken Elementen gespickte Choreographie ist zum Brüllen komisch und zum Verzweifeln traurig: ein Spiel ganz nah am Abgrund. Da haben die anderen Paare des Abends schon bessere Karten: Harms und William Moragas in Mauro Bigonzettis "Pietra Viva", die besonders mit den Füßen nicht voneinander lassen können und zu atmenden Skulpturen verschmelzen, oder auch "Beauty" Anneleen Dedroog und "Nerd" (virtuos trottelig: Sebastian Kloborg), die sich in Itzik Galilis "Cherry Pink" nach allerhand akrobatischen Scharmützeln endlich ermattet in die Arme sinken.

Immer geht es um ganz große Gefühle und ganz viel Spaß - selbst im aggressiven Ballett der Schlechtgelaunten, "Malasangre" von Cayetano Soto, können sich die grimmigen Miesepeter nicht immer ernst nehmen. Von Eric Gauthier ganz zu schweigen, der in seinem kabarettistischen Kabinettstückchen "Air Guitar" völlig neue Wege des Luftgitarrenspiels beschreitet. 26 Jahre alt, aber kein bisschen angestaubt ist Jirí Kyliáns groteske Interpretation von Mozarts "Sechs Deutschen Tänzen": Staub produzieren nur die gepuderten Perücken der durchgedrehten Rokoko-Gesellschaft, die sich mit sinnentleerten höfischen Gesten und verzweifelten Vergnügungen die Zeit vertreibt.

Ab und zu rollt ein Kopf, aber keine Sorge: Wo Mozart mit entschlossener Heiterkeit zum Tanz aufspielt, hat die Revolution gefälligst zu warten. Auch mit dem letzten Stück der "Lucky Seven" zaubern die sechs Männer und sechs Frauen von Gauthier Dance ihren Zuschauern ein glückliches Grinsen ins Gesicht. Und wer nach diesem glamourösen Gourmet-Menü immer noch keinen Geschmack an modernem Tanz gefunden hat, dem ist nicht mehr zu helfen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort