Theater-Premiere „Die Physiker“ Die verrückte Welt des Johann Wilhelm Möbius

Bonn · Gregor Pallast bringt Friedrich Dürrenmatts Klassiker „Die Physiker“ in einer pointierten und rundum gelungenen Inszenierung auf die Bühne der Beueler Brotfabrik.

 Wahnsinnig genial: Möbius (Benedikt Kunz)

Wahnsinnig genial: Möbius (Benedikt Kunz)

Foto: Thomas Kölsch

Wenn eine Krankenschwester erdrosselt am Boden liegt und diese Tatsache offenbar niemandem wirklich zu beunruhigen scheint; wenn nebenan der Täter unbehelligt auf seiner Geige spielt – dann liegt zumindest der Verdacht nahe, sich an einem Ort zu befinden, an dem Recht und Gesetz allenfalls relative Gültigkeit besitzen. Und die Ankündigung, dass die Hausherrin erst das Duett beenden müsse, bevor sie für Fragen zum Tathergang zur Verfügung stehe, ist wohl kaum dazu angetan, die Laune der Kommissarin zu bessern.

Gewiss, dieses Haus mit dem klangvollen Namen „Les Cerisiers“ ist ein Sanatorium und das Fräulein Dr. h.c. Dr. med Mathilde von Zahnd beherbergt in dessen Mauern neben betuchten Patienten aus Aristokratie und Bourgeoisie auch Sir Isaac Newton und Albert Einstein. Doch ist das ein Grund, die Geduld derart zu strapazieren?

Durchaus – obwohl man genau das dieser pointierten und rundum gelungenen Inszenierung der „Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt nicht nachsagen kann. Ganz im Gegenteil: Gregor Pallast, der am Siebengebirgsgymnasium in Bad Honnef Sozialkunde und Biologie unterrichtet und beim Prix Pantheon 2016 eine bemerkenswerte Visitenkarte als Politkabarettist abgegeben hat, überzeugt mit einer Inszenierung zwischen Groteske und Wissenschaftskritik. Und kann sich dabei auf Darsteller verlassen, die diese Ambivalenz gekonnt auf die Bühne der Brotfabrik bringen. Allen voran und stellvertretend für das Ensemble: Esther Takats als Leiterin der Anstalt sowie die Physiker Herbert Georg Beutler alias Sir Isaac Newton (Marian Blok) und Ernst Heinrich Ernesti alias Albert Einstein (Lukas Wosnitza) sowie Johann Wilhelm Möbius (Benedikt Kunz), der einfach nur Möbius ist.

Halt, ganz so einfach nun auch wieder nicht, denn der scheinbar Aufrichtigste und als solches auch Unbedarfteste der drei gelehrten Herren, der behauptet mit dem Geiste König Salomos zu verkehren, hütet ein wirklich schwerwiegendes Geheimnis, verglichen mit dem Gravitation, Raum und Zeit nun wahrlich relativ sind. Wer im Besitz der Weltformel ist – mindestens von ebensolcher Energie und Zerstörungskraft wie die Atombombe – der sollte schon ein paar Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um sein Wissen zu schützen oder die Welt vor ihm.

Doch genügt das? Darauf finden Pallast und Ensemble immer wieder neue Antworten, die einander gegenseitig außer Kraft setzen. So viel sei verraten: Auch Newton und Einstein sind längst nicht die, die sie zu sein vorgeben, und ihre Gastgeberin verfolgt ohnehin ihre ganz eigenen Pläne.

Die absurd-komischen Situationen sprechen für sich und lockern die Atmosphäre immer wieder auf. Genug, um dort hindurch auf den Grund – auf die Essenz dieses Stückes – zu schauen: Fluch und Segen eines überragenden Wissens. Was fängt man damit an? Ein Patentrezept gibt es nicht. Das ist zum Verrücktwerden.

Die Physiker: Zusatztermine vom 7. bis 9. September, Brotfabrik, Kreuzstraße 16, Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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