Analyse des SPD-Kanzlerkandidaten Die Wahlkampf-Rhetorik von Martin Schulz

Bonn · Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz setzt auf klare Worte – wie Donald Trump. Ein analytischer Blick auf die Wahlkampf-Rhetorik des Politikers.

Martin Schulz ist der Mann der Stunde. Das drückt sich unter anderem in den Witzen aus, die über den designierten Kanzlerkandidaten der SPD in Umlauf sind. „Der Dienstwagen von Martin Schulz braucht kein Benzin“, heißt es zum Beispiel, „er fährt aus Respekt.“

Und Schulz habe alle Pokémons gefangen – mit einem Festnetztelefon. Schulz ist als Empathiebolzen beschrieben worden und als einer, der sich – Populismus inklusive – mit den Bürgern gemeinmache. Er wolle „die SPD mit den Wählern gegen den Berliner Status quo vereinen“, glaubt der Hauptstadt-Journalist Stephan-Andreas Casdorff.

Es lohnt sich, die inhaltlichen und stilistischen Strategien zu untersuchen, mit denen der geborene Wahlkampf-Rhetoriker Schulz unterwegs ist.

Wichtiges Element: Nur nicht konkret werden

Das birgt die Gefahr, Erwartungen zu enttäuschen. Einvernommen von den ZDF-Journalisten Bettina Schausten und Peter Frey, brachte Schulz es fertig, kaum eine Frage direkt zu beantworten. Stattdessen verwendete er vorproduzierte Textbausteine, deren Kern das Thema Gerechtigkeit war.

So hielt er es auch bei Anne Will in der ARD. Den Interviewprofis des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ blieb die Methode des geschmeidigen Ausweichens nicht verborgen. Das Befremden der drei Redakteure, die Schulz für die Ausgabe vom 4. Februar mit Fragen traktierten, artikulierte sich in Formulierungen wie: „Geht's ein bisschen konkreter?“ und „Fein. Aber das war nicht unsere Frage“. Schulz: „Aber das war meine Antwort.“

Eine Frage zur Zahl von Leih- und Zeitarbeitern stellten die „Spiegel“-Leute gleich zweimal. Wie gesagt, wenn es konkret wird, weicht Schulz derzeit aus. Er bietet den Menschen lieber eine Erzählung an. Deren Leitmotiv lautet: Ich bin einer von euch. Ich kenne eure Verhältnisse und eure Probleme, und ich spreche eure Sprache. Schulz' Kommunikation ist barrierefrei.

Als Beleg für seine Volkstümlichkeit bemüht der Politiker immer wieder den Namen seiner Heimatstadt Würselen, einer Kleinstadt bei Aachen. Würselen ist auch seine Antwort auf den gelegentlich zu hörenden Vorwurf, er sei schließlich lange Jahre ein EU-Apparatschik gewesen. Mit Würselen begründet Schulz den Anspruch, für all jene zu sprechen, „die hart arbeiten, die schuften müssen“. Er fühlt sich einem Prinzip verpflichtet: „Und das lautet so: Die Menschen, die mit harter Arbeit ihr Geld verdienen, dürfen nicht schlechter gestellt sein als die, die nur ihr Geld für sich arbeiten lassen.“

Wer wollte da widersprechen. Mit Formeln, die Zustimmung geradezu erzwingen, macht Schulz Politik. Auf dass bald alle sagen mögen: Wir sind Würselen. Die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling, die an der University of California in Berkeley forscht, hat die Rhetorik von Schulz für den „Tagesspiegel“ begutachtet. Sie sagt: „Martin Schulz ist authentisch und spricht eine klare Sprache – wie wir auch bei Donald Trump sehen.“

Es darf bezweifelt werden, dass Schulz sich in der Nähe des US-amerikanischen Präsidenten wohlfühlt. Unübersehbar sind aber strukturelle Gemeinsamkeiten mit dem Amerikaner, dem unterstellt wurde, er habe die Sprachkompetenz eines Viertklässlers. Wehling korrigiert diesen Eindruck. Trump habe „im Wahlkampf ein reduziertes Vokabular benutzt, weil er wusste, dass das die Menschen erreicht. Das war eine strategische Entscheidung.“ Und: „Er hat sich als simpel, ungeschliffen und nicht-strategisch begreifbar gemacht. Das war seine Marke. Es hat geklappt.“

Schulz' Marke: Würselen

Schulz' Marke heißt Würselen. Ein Mann, ein Ort. Ob ihn das zum Sieg über Angela Merkel führt, bleibt abzuwarten. Das Cover der aktuellen deutschen Ausgabe des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ zeigt die Kanzlerin analog zum jüngsten, geschmacklosen „Spiegel“-Titel mit einem abgeschnittenen Kopf in der Hand. Es ist der Kopf von Martin Schulz.

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