Die WM im Fadenkreuz der Terroristen

"Im Schatten der Gewalt" - Der neue Polit-Thriller des in Bonn und der Eifel lebenden Autors Horst Ehmke fesselt mit dem Thema Antiterror-Kampf seine Leser

Die WM im Fadenkreuz der Terroristen
Foto: dpa

Bonn. Jetzt hat er wieder zugeschlagen: Zum fünften Mal seit seinem Rückzug aus der aktiven Politik in den 90er Jahren hat Horst Ehmke, Jahrgang 1927, einen seiner typischen Polit-Thriller vorgelegt, in denen er die eigenen politischen Einsichten und Erfahrungen in der attraktiven Verpackung einer erfindungsreichen und spannend erzählten Handlung präsentiert.

Als Autor kann der Professor für Staats- und Verfassungsrecht - einstmals Justizminister und Kanzleramtschef unter SPD-Kanzler Willy Brandt, danach Minister für Post, Forschung und Technologie und nicht zuletzt Mitglied des Deutschen Bundestags von 1969 bis 1994 - auf ein enormes Hintergrund- und Insiderwissen zurückgreifen.

Doch statt der üblichen Form des Sachbuchs oder der Selbstbespiegelung in Politikermemoiren hat er, um seine Leser daran teilhaben zu lassen, die ungewöhnliche Variante der Kriminalstory gewählt.

Stets geht es ihm um die Auswüchse und Schattenseiten der europäischen und weltpolitischen Entwicklungen - der Globalisierung, der internationalen Finanzwirtschaft oder der Brüsseler EU-Bürokratie, um Mafia und organisierten Menschenhandel. Doch sein neues Buch mit dem Titel "Im Schatten der Gewalt" unterscheidet sich von den früheren Produktionen.

Diesmal ist der Antiterror-Kampf - die Abwehr eines geplanten nuklearen Terroranschlags in Berlin im Vorfeld der Fußball-WM - das fesselnde Thema. Auffällig sind jedoch vor allem Ehmkes distanziertere Erzählweise und der sparsamere Einsatz dramatischer Thriller-Effekte. Beides unterstreicht die Ernsthaftigkeit seines Anliegens. Und auch die Spannung nimmt keinen Schaden.

Eigentlich sind es drei Handlungsstränge, denen die Erzählung folgt. Der erste: die gefährliche terroristische Verschwörung und der operative Ablauf ihrer erfolgreichen Abwehr. Der zweite: die Skrupel, Konflikte, Verstrickungen und erotischen Abenteuer des eigenwilligen BKA-Spitzenbeamten Andreas Basler, der selbst einmal gefährlich in die Nähe des deutschen Rote-Armee-Terrorismus geraten war. Der dritte: die politisch-moralische Auseinandersetzung mit den rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Problemen des Antiterror-Kampfes.

Die schlüssige Verbindung gelingt durch die Einführung einer Erzählerfigur: des pensionierten früheren Leiters der Antiterror-Abteilung des Bundeskriminalamtes, Walter Kuhlmann. Als ehemaliger Chef und väterlicher Freund hat er Baslers weiteren Weg begleitet, als Erbe seiner Tagebücher rekonstruiert er schließlich auch den dramatischen letzten Lebensabschnitt. Dem BKA noch immer als Berater verbunden, ist er natürlich auch über den Verlauf der Ermittlungen und der abschließenden Operationen stets auf dem Laufenden.

Besonders in seinen nächtlichen Gesprächen mit Basler ist Kuhlmann unschwer als Ehmkes Alter Ego und Übermittler seiner persönlichen politischen Botschaft auszumachen: gewichtige Gespräche, die sich nicht nur um Baslers Selbstverständnis als Polizist, sondern beispielsweise auch um Sinn und Unsinn des Irak-Kriegs, die Strategie der US-Regierung, den Umgang mit islamischen Minderheiten oder die Probleme der Gewaltanwendung drehen.

So entspricht es durchaus den persönlichen Zweifeln des Politikers Ehmke, wenn Kuhlmann auf den Konflikt zwischen dem Strafrecht und dem Recht der polizeilichen Gefahrenabwehr verweist und in diesem Sinne das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Frage stellt, das den vorsorglichen Abschuss eines als Terrorwaffe missbrauchten Passagierflugzeugs untersagt - selbst wenn es um die Rettung einer weit größeren Zahl von Menschenleben geht.

Hauptschauplätze sind Berlin und der Bonner Raum. Doch ist der Handlungsrahmen weit über Europa gespannt. Zur Geschichte des Terrorismus - vom Anschlag auf die israelischen Sportler 1972 bei den Olympischen Spielen in München über Bader-Meinhof bis zu den Selbstmordbombern der Al-Kaida - hat Ehmke viel aus eigener Erfahrung beizutragen.

Durchweg sorgfältig recherchiert ist die Fülle interessanter Informationen, etwa zur Frage des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen durch Terroristen oder zur Kooperation der Geheimdienste. Den unbekannten Opfern aus ihren Reihen ist das Buch gewidmet.

So ist Horst Ehmkes Altershobby erneut eine spannungsreiche und zugleich nachdenkliche, phantasievolle und doch realitätsnahe Geschichte zu verdanken, die keine Langeweile aufkommen lässt: ein weiteres erfreuliches Ergebnis der Entscheidung eines einstmals erfolgreichen Politikers, sich selbst im Alter nicht allzu ernst zu nehmen.

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