Don Quichotte und der grüne Jagdsalon

Ausgesuchte Stichproben aus 25 Jahren: Die Galerie Radicke in Sankt Augustin zeigt den Zeichner Georg Baselitz - eine anregende Ergänzung zur Schau in der Bundeskunsthalle

Don Quichotte und der grüne Jagdsalon
Foto: Fischer

Sankt Augustin. Auf den letzten Drücker treffen sie schließlich ein, jene Papierarbeiten, die kurz vor der Vernissage noch der Rahmung bedürfen. Wochenlanges Nervenfieber und Organisationsprobleme gehen dem Besuch des als "Malerfürst" gefeierten Georg Baselitz in der Sankt Augustiner Galerie Radicke voraus.

Das Ergebnis: "200 Leute, "so etwas gab''s nur bei Grass und Penck", jubelt Galeristin Jutta Radicke bei der Eröffnung. Auch der zum ersten Mal im nachtschwarzen Galerie-Ambiente weilende Meister legt Begeisterung an den Tag: "Das wirkt wirklich doll".

"Doll" ist gleichermaßen eine übersichtliche, nach vier Hauptaspekten untergliederte Ausstellung, die mit Sicherheit zu den Höhepunkten in der Geschichte der bald 30 Jahre bestehenden Galerie zählt. Ausgesuchte Stichproben skizzieren ein von 1980 bis 2004 reichendes Blattwerk.

Was aufleuchtet, ist eine andere, eigenständige Seite des derzeit in der Bundeskunsthalle ausstellenden Malers. Finessen der Tiefdruckkünste (Radierung, Aquatinta) spielen hier augenscheinlich eine sekundäre Rolle. Es ist der exzellente Zeichner Baselitz, der hier Konzentration und zeitintensive Bildbetrachtungen einfordert.

Im Brennpunkt stehen knappe Formate, rare Farbtupfer, vor allen Dingen komplexe, dichte Kompositionen, die nicht allein aufgrund der seit 1965 verkehrt, verdreht erscheinenden Motivwelt verunsichern. Über Szenen á la Don Quichotte oder Winnetou gelangt man zu expressiven Pseudo-Kippbildern, die sich in realistischer Manier an ausgewalzten Motiven von Pferdekalendern orientieren.

Vergnügen beschert ein Jagdsalon in Grün. Im Scherbenhaufen ("Fayance") von Camouflagefarben spürt man die Doubletten zweier Menschengesichter auf. Artig Platz macht ein Hund, der mal "Bruno", mal "Sigmund" heißt, gegenwärtig in konventioneller Frontansicht sowie im Spiegelbild. Verwirrspiele anderer Natur offenbaren die prägnanten Dossiers von "Fluss und Schrift".

Von psychischen Konflikten erzählen Netz- und Gitterkonstruktionen, wo sich die freien Konturen eines menschlichen Fragmentes verfangen. Ihr Comeback feiert die einsame, erstarrte politische Figur des Adlers, umschwirrt von frei schwebendem Vogelgefieder. Ein "L''Inferno Magico" ist die scheinbar leicht zugängliche Reihe "Romantik"; zwischen Blütenemblemen und sinnierenden Damen mag man fahnden nach "gut versteckten Bezügen zur Kunstgeschichte".

Galerie Radicke, Eisenachstr. 33, St.Augustin, bis 31. Mai. Di. 17-22 Uhr, Mi.-Fr. 17-19 Uhr

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