Beethovenfest Doppelte Musik des Erwachens

Wer mit der Musik des Komponisten Salvatore Sciarrino ein wenig vertraut ist, den wird es nicht wundern, dass in seinem Werk "Quando ci risvegliamo" (Wenn wir erwachen) die Musik Ludwig van Beethovens keine wirklich hörbaren Spuren hinterlassen hat, obwohl sie sich ausdrücklich auf Beethovens Chorfantasie bezieht.

 Alexander Lonquich war Klaviersolist in Ludwig van Beethovens Chorfantasie.

Alexander Lonquich war Klaviersolist in Ludwig van Beethovens Chorfantasie.

Foto: Barbara Frommann

Wer Sciarrinos Musik nicht kennt, dürfte sich allerdings schon die Frage stellen, was die Komposition des 1947 auf Sizilien geborenen Musikers denn nun mit dem Referenzwerk zu tun hat.

Sciarrinos Orchesterkomposition, die am Samstagabend durch das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg unter der Leitung des Dirigenten Lothar Zagrosek in der gut besuchten Beethovenhalle uraufgeführt wurde, ist der Auftakt einer Serie von Werken über Beethoven, die Intendantin Nike Wagner für jedes Beethovenfest bis zum Jubiläumsjahr 2020 in Auftrag geben möchte.

Sciarrino nun präsentiert Musik, die sehr typisch für ihn ist, die zarten Klänge, die in Kontrast zu dem groß besetzten Orchester stehen, die minimalistische thematische Arbeit, die dennoch eine unglaublich dichte Atmosphäre erzeugt, all das hört man auch hier. Im Grunde befindet sich "Wenn wir erwachen" in einem permanenten Dämmerzustand, Musik zwischen Traum und Wirklichkeit.

Die einfachen, fallenden Intervalle, die das Werk durchziehen, wirken wie Seufzer oder Atemzüge, was ganz besonders plastisch wird, wenn die Flötistin tonlos das Mundstück ihres Instrumentes gleichsam als Verstärker ihrer Atemzüge nutzt. Sciarrino bringt in der Hörbarmachung der Motivfragmente einen enormen Variantenreichtum zur Anwendung. Immer neue Farbtupfer tröpfeln auf die Klangleinwand, wobei Töne und Geräusche völlig gleichberechtigt nebeneinander bestehen. Es entsteht ein fragiles Klanggeflecht, das in dem mit neuer Musik traditionell sehr erfahrenen Orchester eine fein ausgehorchte Deutung fand.

Das Werk war gleich zwei Mal zu hören. Nach der Uraufführung folgte zunächst das Referenzwerk - Beethovens Fantasie für Klavier, Chor und Orchester c-Moll op. 80. Mit auf der Bühne: die Kantorei der Bonner Kreuzkirche sowie Alexander Lonquich als Klaviersolist. Orchester, Chor und Solist erhielten für ihre Leistung Bravo-Rufe.

Nach der Pause begann der zweite Konzertteil wieder mit Sciarrino - eine ungewöhnliche Dramaturgie, deren Sinnhaftigkeit sich aber letztlich nicht erschloss. Insgesamt aber fand Sciarrinos Komposition eine warme Aufnahme beim Bonner Publikum. Ein paar Buhs waren auch zu vernehmen. Im Anschluss dirigierte Zagrozek noch eine sehr gediegene achte Sinfonie von Ludwig van Beethoven.

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