Eremiten in Godesberg Ebba Hagenberg-Miliu beschreibt das Leben moderner Eremiten

Bad Godesberg · Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen. So schrieb es einst der französische Philosoph Blaise Pascal. Denn allein mit sich zu sein, kann ganz schön langweilig sein. Auch können verschüttet geglaubte Probleme an die Oberfläche des Bewusstseins drängen und einem das Leben zur Hölle machen. Warum tun es sich Menschen also an, die Einsamkeit zu suchen?

 Moderner Eremit: Anthon Wagner leitete eine Grafik-Agentur, bevor er "ausstieg" und in einen Schäferkarren auf der Schwäbischen Alb zog

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Foto: privat

Eremiten nennt man solche Leute, die die meisten von uns wohl schlicht für verrückt, zumindest für sonderbar halten dürften. Doch dass Schwester Benedicta, Pater Gabriel, Anthon Wagner und viele andere Eremiten durchaus bei Trost, um nicht zu sagen bei göttlichem Trost sind, zeigt das Buch "Allein ist auch genug" von Ebba Hagenberg-Miliu.

Die freie Journalistin, die unter anderem für den General-Anzeiger schreibt, verschafft dem Leser auf mehr als 200 Seiten Einblicke in das faszinierende, aber auch ungewöhnliche Leben von 33 Menschen, die sich aus ihrem früheren Alltag als Kaufhaus-Leiter, erfolgreiche Ärztin oder Kabarettist radikal verabschiedet haben.

Man wähnt sie weit weg, manch einer von ihnen lebt aber in nächster Nachbarschaft. Schwester Benedicta beispielsweise hat für ihre selbstgewählte Einsamkeit eine Klause unterhalb der Godesburg ausgewählt, in der sie seit 2006 wohnt. Andere sind noch näher an der "Welt": Ute Ziegler sucht als Stadteremitin ihr "höchstes Glück" im höchsten Stock eines Wohnhauses in Mannheim.

Es gibt aber auch die extremen Fälle, sozusagen die Säulenheiligen des 21.Jahrhunderts: wie Meike Blischke, eine in Deutschland geborene asketische Nonne des indischen Shivaiten-Ordens, die in einer Höhle lebt. Oder wie Künstler Anthon Wagner, der seit mehr als 30 Jahren einen alten, zwei mal 1,80 Meter kleinen Schäferkarren auf der Schwäbischen Alb sein Zuhause nennt.

Anders als Schwester Benedicta, die einem Orden angehört, sind Leute wie Blischke und Wagner freie Eremiten, die mit kirchlicher Bindung nichts im Sinn haben. Sie suchen auf ihre Weise das Göttliche oder das Einssein mit der Natur. Wenn die modernen Eremiten etwas eint, dann in aller Regel, dass sie ihres früheren stressigen, fremdbestimmten Lebens überdrüssig waren.

Hagenberg-Miliu hat einige Eremiten in persönlichen Interviews nach den Gründen für ihre selbstgewählte Isolation befragt, anderen schickte sie Fragen per Mail. Denn moderne Eremiten müssen nicht zwingend den Kontakt zur Außenwelt abgebrochen haben. Einblicke ins Leben der abgeschiedensten Fälle verschaffte sich die Autorin durch Recherche via Internet, Zeitungen und Bücher.

Entstanden ist ein kurzweiliger Überblick. Zugleich stellt sich mancher Leser sicher die Frage nach dem eigenen Wohlbefinden im persönlichen Hamsterrad - und danach, ob das Eremitendasein etwas für ihn selbst wäre. Und so zeigt die Autorin am Ende ihres Buches einige Möglichkeiten auf, wie man im Alltag das Eremitendasein ausprobieren kann, ohne gleich den radikalen Schritt gehen zu müssen.

Ebba Hagenberg-Miliu, "Allein ist auch genug - Wie moderne Eremiten leben", Gütersloher Verlagshaus, 224 Seiten, 19,99 Euro

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