Ein Abend für Robert Schumann

Peter Gülke dirigiert das Bonner Beethoven Orchester

Bonn. Eigentlich sollte mit dem vierten Sonderkonzert des Beethoven Orchesters Dietrich Fischer-Dieskau gefeiert werden. Der 78-jährige Musiker, der seinen Sängerberuf längst aufgegeben hat und heute gelegentlich in musikalisch unterfütterten Sprechrollen oder als Dirigent auf der Bühne steht, ist nämlich Ehrenmitglied der Gesellschaft der Freunde des Beethoven Orchesters.

Die Freunde hatten ihn eingeladen, in Bonn ein Schumann-Programm zu dirigieren. Doch Fischer-Dieskau meldete sich vergangene Woche krank, so dass der Taktstock kurzfristig weitergereicht werden musste und in den Händen des Dirigenten-Kollegen Peter Gülke landete.

Mit Schumann kennt Gülke sich aus, so dass am Programm nichts geändert werden musste: Manfred-Ouvertüre, Klavierkonzert, vierte Sinfonie. Und auch im "Nachklang", der nach dem Konzert im Großen Raucherfoyer der Beethovenhalle, stattfand, übernahm er den Part Fischer-Dieskaus und ließ sich von Manfred Osten zu Schumann befragen.

Kraftvoll und ernst ließ Gülke die Ouvertüre anheben, die Schumann selbst als eines seiner "kräftigsten Kinder" bezeichnete. Gülke sieht in dieser Musik, die im Revolutionsjahr 1848 entstand, ein ganz und gar dramatisches Werk, zeichnet mit dem gut aufgelegten Beethoven Orchester die aufgepeitschten Seelenqualen des Protagonisten facettenreich nach, lässt Paukenschläge drohend donnern und das Blech mit Macht sekundieren.

Für das Klavierkonzert war der Ukrainer Konstantin Lifschitz nach Bonn gekommen. Bekannt wurde der mittlerweile in Berlin, Moskau und den USA lebende Pianist durch eine Live-Einspielung der Goldberg-Variationen Johann Sebastian Bachs, für die er vor acht Jahren unter anderem mit einem Grammy-Award ausgezeichnet wurde.

Weder die Goldberg-Variationen noch ihr Interpret passen zum Klischee des russischen Tastentitanen, das im Westen noch immer recht lebendig ist. Schumanns Klavierkonzert gab dem 28-Jährigen die Möglichkeit, sich als kluger, fantasievoller und sehr musikalischer Interpret zu zeigen, der dem virtuosen romantischen Schwung des Werks ebenso Rechnung trägt wie einer klar strukturierten Dramaturgie, der sich das Orchester unter Gülkes Leitung sehr schön anschmiegte.

Lifschitz kostet dabei die dynamischen Möglichkeiten des modernen Flügels voll aus, setzt zum Teil markige Akzente, dann wieder spielt er rasches Sechzehntel-Figurenwerk in zartestem Pianissimo.

Etwas eilig hatte er es mit der Zugabe, die zugegebenermaßen auch ziemlich lang war; immerhin handelte es sich um den kompletten Finalsatz aus Beethovens zweisätziger Sonate in e-Moll op. 90. "Nicht zu geschwind und sehr singbar vorzutragen", schrieb Beethoven den Klavierspielern in die Noten, doch Lifschitz spielte so, als wolle er jeder Schubert-Nähe dieses schönen, kantablen Satzes aus dem Wege gehen.

Die vierte Sinfonie Schumanns bildete das temperamentvolle Finale. Gülke setzt auf klangliches Breitwandformat und vertraute so einem ganz anderen Ansatz, als es beim letzten Beethovenfest Wolfgang Sawallisch und die Berliner Philharmoniker mit ihrer schlanken und spannungsvollen Aufführung taten. Sehr schön gelang das Oboensolo der Romanze, aber auch die Streicher machten ihre Arbeit ordentlich.

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