Ausstellung in Köln Ein Blockbuster aus Antwerpen

Köln · Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln rekonstruiert den Altar der Kölner Kreuzbrüder und vergleicht ihn mit großem Kino. Eine Ausstellung unter dem Titel "Ein vergessenes Meisterwerk"; in der Reihe "Wallraf im Fokus";.

 „Sonntagskino“, so nennt man im Wallraf (im Bild Direktor Marcus Dekiert) diese Seite des Altars der Kölner Kreuzbrüder.

„Sonntagskino“, so nennt man im Wallraf (im Bild Direktor Marcus Dekiert) diese Seite des Altars der Kölner Kreuzbrüder.

Foto: Thomas Brill

Wie man aus Kunst großes Kino macht, das wissen die Museumsleute vom Wallraf-Richartz-Museum und haben es wiederholt überzeugend demonstriert. Dass großes Kino im Wallraf nun auch großes Kino genannt wird, konnte man gestern bei der Vorstellung einer außergewöhnlichen Ausstellung erleben. Da sprach Kurator Roland Krischel mit Hinweis auf Quentin Tarantinos für „The Hateful 8“ revitalisiertes Kino-Format von „Ultra Panavision“, ferner von filmischen 3 D-Effekten und Überblendung, von Synchronisation und Zensur, schließlich verwendete er den Begriff Blockbuster. Das Ganze nicht in Verbindung mit cineastischen Errungenschaften, sondern gemünzt auf einen Altar des Antwerpener Manierismus um 1520, genauer: auf das gute Dutzend Fragmente des ehemaligen Antwerpener Altars der Kölner Kreuzbrüder.

Ein gewagter Vergleich? So wie das Wallraf die spektakuläre Teilrekonstruktion des Altars präsentiert, nämlich als eindrucksvolle theologische Bilderzählung, die mit einer starken Dramaturgie und tollen Schauwerten Spannung erzeugt, ist der Hinweis aufs Kino absolut überzeugend. Das präsentierte Werk war einmal ein Flügelaltar, der mit seiner Alltagsseite relativ konventionell daherkam. Dann zelebrierte er durch Öffnung der Flügel zur opulenteren Sonntagsansicht eine faszinierende Wandlung. Das Finale: ein goldstrahlendes, vollends geöffnetes heiliges Theater rund um eine große geschnitzte Kreuzigung an hohen Feiertagen.

Der Besucher des Wallraf sieht drei Zustände dieser Wandlung und darf im Modell die Varianten der Flügelstellungen durchspielen. In erster Line aber wird er mit einem gleichsam begehbaren Riesenpuzzle konfrontiert. Einige Bestandteile des Altars der Kölner Kreuzbrüder finden sich im Wallraf selber, Skulpturen kamen aus dem Museum Schnütgen, ein Flügelfragment aus der Alten Pinakothek München. Andere Teile, die während des Krieges im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg ausgelagert waren, verbrannten, der Rest schließlich gilt als verschollen, darunter die Kreuzigung der Festtagsseite.

Der größte Altar in Köln

Das Erhaltene ist bemerkenswert: delikat im Antwerpener Manierismus-Stil mit seinen kostbaren, gestreckten Figuren, detailversessenen Architekturen und Gewändern gemalte Altartafeln; außerdem überaus virtuos geschnitzte Eichenholzskulpturen. Beim beim Altar der prosperierenden Kreuzbrüder handelte es sich nicht nur um ein außergewöhnliches Stück, es war seinerzeit der größte Altar in Köln.

Mit der Herrlichkeit war es nach der Besatzung Kölns durch die Franzosen vorbei. Im Zuge der Säkularisation wurde der Kirchenbesitz verstaatlicht, der Altar in Stücken verkauft, die Kirche der Kreuzbrüder 1808 abgerissen. Was bleibt, ist besagtes Puzzle, und es gab viele offene Fragen. Zum Beispiel, warum sich die Kreuzbrüder, deren Domizil neben der Schildergasse lag, wo die Kölner Maler arbeiteten und lebten, den riesigen Altar aus Antwerpen kommen ließen. Kurator Krischel macht mehrere Faktoren dafür verantwortlich: „Ein Antwerpener Altar war damals ein Must-have“, die Werkstätten waren besser organisiert, man kaufte aus einer Hand und das wohl auch günstiger. Altäre waren ein Exportschlager aus Antwerpen, rund dreißig Exemplare zählt Krischel zwischen Köln und Aachen.

Wichtigstes Argument aber dürfte die überragende Qualität gewesen sein. Schon allein, wie die Antwerpener für einen Altarflügel aus drei Drucken Albrecht Dürers eine komplexe Darstellung des Christus vor Kaiphas kompilierten, zeigt die ganze Kunst jener Werkstatt. Auch wie die einzelnen Szenen etwa von der Verkündigung Mariae bis zur Aufweckung des Lazarus bildlich erzählt, wie Motive und Anspielungen weitergesponnen werden, ist großartig. Jedes Bild existiert als eigener, fein durchkomponierter Raum, und ist doch letztlich nur ein Baustein zum Gesamtkunstwerk Altar. Der war als christlicher Kosmos gedacht, und alle Künste und Meister arbeiteten darauf hin.

Wallraf-Richartz-Museum Köln; bis 12. Juni. Di-So 10-18 Uhr. Katalog 12 Euro. Vorträge und Rahmenprogramm:www.wallraf.museum

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