Ein heikles Kapitel aus dem Leben ihrer Mutter

Barbara Honigmann liest aus ihrem neuen Roman im Bahnhof Rolandseck

Bonn. In ihrem neuen, schlanken Roman "Ein Kapitel aus meinem Leben" tastet sich Barbara Honigmann nicht etwa an ihrer eigenen lebensgeschichtlichen Chronologie entlang. Sie versucht so präzise wie möglich und so vage wie nötig, ihre Mutter als Person zu inszenieren.

Sie kennt das aus dem Theater, hat einige Jahre als Dramaturgin und Regisseurin gearbeitet. Dort gibt es - sichtbar - nur Auftritte und Abgänge; alles andere bleibt dem Publikum verborgen. Und weil ihre Mutter eine solch schillernde, kraftvolle und zugleich verschlossene Persönlichkeit war, fällt es ihr als Tochter noch immer schwer, sich ihr dreizehn Jahre nach deren Tod literarisch zu nähern. Das Buch ist 2004 erschienen. "Ich bin nicht so gegensätzlich wie sie. Ich bin nur übermäßig kommunikativ, nicht reserviert", resümiert die Autorin, die selbst nach 21 Jahren in Straßburg ihren Ostberliner Akzent nicht abgelegt hat.

Hans Thill, der Honigmanns Lesung im schönen Obergeschoss des Bahnhofs Rolandseck ein paar einführende Bemerkungen voranstellt, zieht einen Vergleich zu Pedro Aldomovars Film "Alles über meine Mutter". Er macht auf das Paradoxon aufmerksam, dass es darin nur am Rande um die Mutter selbst geht.

Geheimgehalten vor Familie und Öffentlichkeit gab es während des Zweiten Weltkriegs einen Lebensabschnitt, den die Mutter gern als "heikles Kapitel" bezeichnete. "Ich konnte nicht erkennen, ob darin Scham oder Stolz zu hören war", fragt sich Barbara Honigmann rückblickend. Damals hatte ihre Mutter im englischen Exil den britischen Doppelagenten Kim Philby geheiratet, der kurz vor seiner Enttarnung 1964 in die Sowjetunion flüchtete und dort 1988 starb.

So lange aber hatte die Ehe zwischen der gebürtigen Wienerin und Philby nicht gehalten. Nach zwölf Jahren kam das Aus. 1949 war sie dann mit ihrem dritten Mann, dem deutschen Journalisten Georg Honigmann, nach Ostberlin gezogen, wo auch Barbara geboren wurde. Über die Philby-Episode aber hatte sie den Mantel des Schweigens gehüllt.

Barbara Honigmann: Ein Kapitel aus meinem Leben. Carl Hanser Verlag, München/Wien 2004,geb., 142 Seiten, 15,90 Euro.

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