Ludwig Museum in Koblenz Ein Kölner in New York: Retrospektive des Malers Rainer Gross

Koblenz · Fast zehn Jahre lang war die Kunst des Kölner Malers Rainer Gross nicht mehr im größeren Rahmen in Deutschland zu sehen. Eine Tournee reichte 2003 die "Contact-Paintings" des seit 1973 in New York lebenden Künstlers (Jahrgang 1951) herum.

 Ein Feuerwerk der abendländischen Malerei: Rainer Gross malte das über sechs Meter breite "Democratic Baroque Graffiti" im Jahr 1983.

Ein Feuerwerk der abendländischen Malerei: Rainer Gross malte das über sechs Meter breite "Democratic Baroque Graffiti" im Jahr 1983.

Foto: Museum

Die Fangemeinde musste sich seitdem mit Galerieausstellungen etwa bei Michael Schneider in Bonn und Stefan Röpke in Köln begnügen. Die Wartezeit auf eine umfassende Retrospektive ist vorbei: Am Sonntag wurde im Ludwig Museum in Koblenz mit viel Prominenz die Ausstellung "Kontact - NY Paintings 1912-2012" eröffnet. Sogar BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken, ein Jugendfreund von Gross, mit dem er auch musiziert hat, war unter den Gästen - sein erster öffentlicher Auftritt seit dem Schlaganfall im vergangenen November.

Die Bandbreite der Koblenzer Ausstellung reicht von Werken, die zur Zeit seiner Übersiedlung in die USA gemalt wurden, bis zu aktuellen Arbeiten, die im neuen Atelier in Queens entstanden. Die Schau bietet ein Wiedersehen mit einem faszinierenden Maler, der wie viele Kollegen auch in den 1970er und 1980er Jahren mit dem Medium Bild haderte. Gross wählte den Weg der Ironie und Distanz zur Kunstgeschichte.

Auf riesigen Leinwänden inszeniert Gross den Kulturkampf zwischen Hoch- und Kitschkunst. Rubens und Rembrandt, Raffael und Lochner tauchen mit berühmten Motiven, flott und virtuos kopiert, vereinzelt im Bild auf. Dazwischen klebt er Kitschbilder von Sonnenuntergängen und Bergpanoramen, Segelschiffen und billigen Stillleben. Zwischen diesen Ebenen, dem alten Niederländer oder Renaissance-Maler und dem Kaufhaus-Trash, entfaltet Gross eine atemberaubende Malerei.

Die Kitschkunst gibt Farbstimmungen vor, die der Maler fortentwickelt und zu Rembrandt und Rubens weiterreicht. Motive werden übermalt und uminterpretiert, dann und wann öffnet sich ein gleißender, geradezu sakraler Barockhimmel. "Democratic Baroque Graffiti" (1983) heißt das beeindruckendste Bild dieser Serie. Auf über sechs Meter Breite veranstaltet es ein grellbuntes Feuerwerk der abendländischen Malerei.

Wie eine Warhol-Persiflage tritt der Frauenakt von Rubens, das "Pelzchen" aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien, gleich als Drilling auf, in Rot, Braun und Gelb. Der passende Titel: "Chocolate, Strawberry and Vanilla I." (1980). Das ironische Spiel mit unterschiedlichen Ebenen setzte schon unmittelbar nach dem ersten Kontakt des damals 22-Jährigen mit den USA ein. "Louisville Slugger" zeigt einen sympathischen farbigen Jungen im Outfit der New Yorker Yankees.

Der steht mit seiner Baseballkeule in einem großbürgerlichen Wohnzimmer mit wild gemusterten Sesseln und einer Art Tapete mit einer vielfigurigen Szene. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, dass sich das Tapeten-Personal von der Wand ablöst und vom Wohnzimmer Besitz ergreift. Was ist wirklich, was Illusion? Das wird in einem Bild diskutiert, das lieber genüsslich Verwirrung stiftet statt für Ordnung zu sorgen.

Ähnliches passiert in der "Luxus"-Serie ab 1986, die die Kehrseite des Erhabenen zeigt. Die Bilder wirken abgerockt, wie zerstört. In den 90er Jahren entstehen erste abstrakte Werke, bei denen Gross die Farbe mit den Fingern aufträgt. Es ist eine sehr physische Malerei, die Spuren hinterlässt und eine haptische Qualität hat.

Bei den "Contact-Paintings" legt er zwei bemalte Bilder mit noch feuchter Farbe aufeinander, reibt und drückt auf die Rückseiten und zieht die Bilder wieder auseinander. "Twins", Zwillinge, nennt er einige. Manche ähneln einander, andere scheinen ein Eigenleben zu führen. Jedes erscheint wie aus der Leinwand gewachsen, schrundig mit eigener Geschichte.

Ludwig Museum Koblenz; bis 18. April. Di-Fr 10.30-17, Sa, So 11-18 Uhr. Katalog (Wienand) 30 Euro

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort