Ein Kreuz aus Blut in der Kölner Oper

Der Sängerkrieg um Wagner: Premiere für den "Tannhäuser" in einer eher belanglosen Inszenierung von Jasmin Solfaghari - In 14 Tagen versucht sich Hans Neuenfels in Essen am Stoff

  Die Kölner Oper,  Ort der neuenTannhäuser-Inszenierung.

Die Kölner Oper, Ort der neuenTannhäuser-Inszenierung.

Foto: Fischer

Köln. "Der Sängerkrieg auf der Wartburg" lautet der Untertitel von Richard Wagners "Tannhäuser". Irgendwie treffend für die wohl eher zufällig fast zeitgleichen Premierentermine an der Essener Aalto-Oper und in Köln, wo man am Wochenende mit vierzehntägigem Vorsprung ins Rennen ging. Dass der stärkste Trumpf der Kölner Produktion der in der konkurrierenden Revierstadt Essen lebende Tenor Torsten Kerl in der Titelpartie ist, gibt dem "Sängerkrieg" eine weitere, besondere Würze.

Tatsächlich ist Kerl einer jener Interpreten, denen es gelingt, viele Facetten einer Figur glaubwürdig und emotional bewegend auf der Bühne zu leben. Torsten Kerl beherrscht sein Handwerk, verfügt über eine kraftvolle, klar fokussierte, reine Stimme. Doch wenn es der Ausdruck verlangt, zeigt er Mut zum rauen, expressiven Gesang, dann schwingt in seiner Stimme auch Verzweiflung mit. Die Zerrissenheit der Figur des Tannhäuser durchleidet Kerl mit erschütternder Intensität.

Torsten Kerl besitzt die Gabe, seine Stärken auch in einer Inszenierung ausspielen zu können, die mit dem Stück wenig anzufangen weiß. Jasmin Solfaghari findet keine geeignete Bildersprache für Wagners Drama. Die drei Akte spielen in einer Art gläsernem, von Neonlicht kalt ausgeleuchtetem Warteraum (Bühne: Frank Philipp Schlößmann). Der Hörselberg, wo Tannhäuser in den Armen der Venus dem Rausch der Sinne verfällt, ist als rot ausstaffierte Enklave ebenfalls hier angesiedelt. Doch von der Sinnlichkeit dieser Zauberwelt erfährt man nichts.

"Wagners Musik ist für mich das, was die Amerikaner ?larger than life' nennen", hat Kölns Generalmusikdirektor und Premierendirigent Markus Stenz in einem Interview gesagt. Jasmin Solfagharis Inszenierung aber krankt genau daran, dass sie den Alltag auf die Bühne bringt. Der Chor beim Sängerwettstreit ist gekleidet wie ein ganz normales Konzert- oder Opernpublikum (Kostüme: Mechthild Seipel). Wenn schließlich die Pilger in ihren weißen, mit roten Kreuzen bedruckten T-Shirts vorbeiziehen, werden Erinnerungen an den Weltjugendtag 2005 in Köln wach. Dass Elisabeth sich am Ende so ein Kreuz mit dem Blut ihrer aufgeschnittenen Pulsadern auf die Brust zeichnet, gehört zu den wenigen Bildern der Inszenierung, die wirklich berühren.

Im Orchestergraben entwickeln Markus Stenz und das Gürzenich Orchester nach einer zügigen und etwas zu pauschal musizierten Ouvertüre im weiteren Verlauf zunehmend Freude am Detail. Sehr schön realisiert wurde etwa der Übergang vom A-cappella-Gesang des Pilgerchores im dritten Akt zum orchesterbegleiteten Teil, der eine grandiose Steigerung erfuhr. Überhaupt zeigte der von Andrew Ollivant einstudierte Opernchor an diesem Abend eine gleichbleibend großartige Leistung.

Neben Torsten Kerl gab auch die Sopranistin Camilla Nylund im Kölner "Tannhäuser" ihr Rollendebüt. Die Erwartungen, die sie auf dieser Bühne als Salome und als Elsa geweckt hatte, erfüllte sie mit ihrer Elisabeth durchaus: Sie ist ganz im Sinne Wagners eine ausgezeichnete Sängerdarstellerin. Den Wolfram sang Miljenko Turk trotz krankheitsbedingt angeschlagener Stimme mit viel baritonaler Wärme.

Der Venus gab die energische Dalia Schaechter mezzogeschärftes Profil. Gleichsam als Wiedergutmachung für ein paar vereinzelte unverdiente Buhs wurde sie am Ende der Vorstellung durch Kölns Opernintendanten Christoph Dammann zur Kammersängerin ernannt. Einig war sich das Publikum in der Ablehnung der Inszenierung Jasmin Solfagharis. Wenn man es sportlich nehmen will, ist das für Hans Neuenfels, der den "Tannhäuser" in Essen inszeniert, eine sichere Vorlage.

Weitere Termine: 23. und 28. März, 4., 6. und 18. April, 3., 10. und 16. Mai. Karten in den GA-Ticketshops.

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