Museum für Angewandte Kunst Köln Ein verborgener Schatz ist gehoben

Köln · Mit der Ausstellung "Herzkammer" präsentiert das Museum für Angewandte Kunst Köln rund 180 Grafiken. Marina Eulitz hat jedes der 25.000 Exemplare aus der Ornamentstichsammlung des Hauses gesichtet und die Glanzstücke herausgepickt.

 George Edwards: "Zebra. Der Hengst", um 1750.

George Edwards: "Zebra. Der Hengst", um 1750.

Foto: Museum

Solche Finesse lässt sich nur mit der Lupe erfassen: Da bestaunt man Fingerhüte, die mit figurenprallen Bibelszenen verziert sind. Oder man steht vor einem Porträt Kaiser Josephs I., das - fürs bloße Auge kaum erkennbar - aus winzigen Wörtern und Sätzen gezeichnet ist. Vor einem anderen Blatt fragt sich der Betrachter, warum der dargestellte Gepard so grotesk in die Länge gezogen ist. Eine schöne Spielerei, Anamorphose genannt, bei der erst ein korrekt angebrachter Spiegel das Motiv entzerrt.

Dies sind nur drei von rund 180 Grafiken, mit denen das Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) in der Ausstellung "Herzkammer", der letzten zum 125-jährigen Bestehen, einen verborgenen Schatz hebt. Marina Eulitz hat jedes der 25.000 Exemplare aus der Ornamentstichsammlung des Hauses gesichtet und die Glanzstücke herausgepickt. So weiß man nun, dass Köln eins von weltweit vier Blumenstillleben von Hendrik Hondius besitzt, das wie viele andere Blätter aufwendig restauriert wurde.

Dass Papier geduldig sei, erwies sich bei der Vorbereitung als frommer Wunsch: Schädliche Klebstoffe und säurehaltige Passepartouts fraßen jahrhundertelang an den Schätzen. Anders als in der aktuellen grafischen Wallraf-Sammlung handelt es sich hier meist um Anregungen für Architekten, Buchgestalter, Steinmetze, Möbelschreiner, Goldschmiede oder Porzellanmacher.

Ältestes Stück ist eine prächtig-goldene Initiale (G) von 1150, jüngstes ein Schinkel-Design von 1836. Dazwischen buhlen Ornamente und Grotesken, Architekturzeichnungen, Kunsthandwerks-Vorlagen und freie Grafik um Aufmerksamkeit. Schon die fantasievoll gestalteten Zierrahmen (Kartuschen) faszinieren, wobei sich die Raffinesse in den "Grotesken" noch steigert: In ihr filigranes Säulen- und Rankenwerk sind Sphingen und andere Fabelwesen aufs Fantasievollste eingesponnen.

Einer der beeindruckendsten Künstler ist dabei der Franzose Jean Bernard Turreau (genannt Toro), der etwa kühne Vasen oder fratzenhafte Masken ersann - und dessen vor einem Spiegel posierender Drache es auf das Ausstellungsplakat schaffte. Insbesondere Architekten profitierten von den Entwürfen, wobei Paul Deckers 2,3 Meter breiter Vorschlag für eine fürstliche Residenz gewiss das spektakulärste Blatt ist. Bei den Inneneinrichtungen (etwa von Juste-Aurèle Meissonier, der das "Augsburger Rokoko" prägte) werden manchmal sogar die exakten Maße angegeben.

Selbst dort, wo es um reinen Nutzwert geht, sind die Druckgrafiken und Handzeichnungen von hohem ästhetischen Reiz. Und manche Entwürfe, wie die vertrackte Vase mit doppeltem Schneckenhaus, dürften ohnehin Selbstzweck geblieben sein.

Apropos: Das letzte von vier Kapiteln feiert die "dekorative Grafik", deren Werke nicht nach handwerklicher Umsetzung verlangten. Hier gibt es exakte Darstellungen von Tieren oder der Vorstellung, die man sich etwa von Elefanten machte. Adriaen Collaerts mit einem Geweih geschmückter Hase indessen ist kein Hirngespinst, sondern Produkt einer Gendeformation. In dieser Sektion des sehr schön gehängten, entdeckungsreichen Parcours gibt es ein doppelt berühmtes Idyll: Das Ausheben eines Spatzennests zeichnete François Boucher nach einem Vorbild von Watteau.

Bis 16. Februar 2014, Di-So 11-17, 1. So im Monat bis 22 Uhr. An der Rechtschule. Katalog (ab 5. 11.): 27 Euro. www.makk.de.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort