Fotografin Lotte Jacobi Eindrucksvolle Schau im Käthe-Kollwitz-Museum in Köln

Köln · Kurt Weill hat grübelnd das Kinn in die Hand gesenkt, Klaus und Erika Mann - beide mit Krawatte - scherzen rauchend, der junge Hans Richter steht strubbelig vor seinem Schattenbild, die Filmdiva Lil Dagover wie immer überirdisch schön - und dann dieser schwarze Mund, diese Augen, die den Betrachter fixieren.

 Foto-Ikone: Lotte Jacobis Porträt der Lotte Lenya, Berlin 1929.

Foto-Ikone: Lotte Jacobis Porträt der Lotte Lenya, Berlin 1929.

Foto: KM

In der Galerie der Stars sticht Lotte Lenyas durch und durch cooler Blick hervor, dabei sind alle diese Bilder Ikonen der Fotografin Lotte Jacobi (1896-1990). Nichts wirkt gestellt, es gibt keine klassische Pose, dafür Atmosphäre satt, Raum für Spontaneität und Geschichten. Jacobi hat mit ihrem einzigartigen Stil die Stimmung, die intellektuelle Coolness und das politisch-kulturell aufgeladene Klima im Berlin der Weimarer Republik festgehalten.

Sie war eine begnadete Porträtistin, aber auch versierte Theater- und Dokumentarfotografin. Auf ein einzelnes Genre wollte sie sich jedoch nicht reduzieren lassen: "Ich bin Künstlerin, keine kommerzielle Fotografin."

Und eine Sitzung im "Atelier Jacobi" in der Berliner Joachimstaler Straße, im "Neuen Westen", dem Epizentrum der zwanziger Jahre, war kein Posen - Jacobi unterhielt sich gerne mit ihren "Modellen": "Mein Stil ist der Stil der Menschen, die ich fotografiere", sagte sie. Diese Offenheit und Neugier überträgt sich auch auf den Besucher einer exzellenten Werkschau der Fotografin im Kölner Käthe-Kollwitz-Museum.

Die Kuratorinnen Marion Beckers und Elisabeth Moortgat haben rund hundert Fotografien und etliche Dokumente zum Werk zusammengetragen. Entstanden ist ein repräsentativer Überblick, der keine Phase dieses umfassenden Oeuvres auslässt.

Die Schau startet mit den Ikonen der Berliner Zeit, wobei man dabei auf Korrespondenzen zum Personenkreis achtete, den auch die Patronin des Hauses, Käthe Kollwitz, kannte. Lotte Jacobi entstammte einer langen Foto-Dynastie. Urgroßvater Samuel hatte sich persönlich eine Lizenz und eine Kamera vom alten Daguerre, dem Urvater der Fotografie, in Paris besorgt. Großvater und Vater waren Fotografen.

Persönliches, Befindlichkeiten und Facetten

Ungewöhnlich, dass die in München ausgebildete Lotte zwar auch Fotografin wurde, aber vom Stil der Jacobis abwich und eine unkonventionelle Handschrift entwickelte. Die zeigt sich etwa bei den Porträts, die versuchen, Persönliches, Befindlichkeiten und Facetten einzufangen: zum Beispiel Heinrich George einmal als finsterer Bühnentitan, ein anderes Mal privat im Hausmantel mit Sohn Jan Albert auf den Schultern. Jacobis Theaterfotografie blickt hinter die Kulissen, sucht Schattenspiele und ungewöhnliche Perspektiven.

Zu den spannendsten Kapiteln der Schau zählt eine Handvoll Bilder, die auf Lotte Jacobis Reise in die Sowjetunion entstanden. Im August 1932 war sie aufgebrochen. Als sie im Februar 1933 mit 6000 Fotos wieder in Berlin eintraf, war Deutschland nicht mehr wie vorher. Am 30. Januar hatten die Nazis die Macht übernommen.

Jacobis wunderbarer Sowjet-Zyklus steckt noch heute voller Rätsel. Was hatte sie damit vor? Plante sie eine große Reportage analog zu Egon Erwin Kischs "Asien gründlich verändert?" (1932), wie die Kuratorinnen vermuten? Auf jeden Fall waren diese Fotos für Lotte Jacobi so wichtig, dass sie sie 1935 ins Exil in die USA mitnahm (und vieles andere zurückließ). In den USA ging damals freilich das Interesse an Sowjet-Impressionen gegen Null.

Wie überhaupt ihr europäischer Stil in Manhattan nicht viele Freunde fand. Die Fotografin teilte in der Fremde das Schicksal vieler jüdischer Emigranten aus Deutschland. Die wurden zu ihren neuen Modellen und Förderern. Allen voran Einstein, der sich für "Life" nur von "Miss Jacobi" ablichten lassen wollte.

Käthe-Kollwitz-Museum Köln; bis 25. November. Di-Fr 10-18, Sa, So 11-18 Uhr. Katalog (Wienand) 16,50 Euro