Eine Wellen-Metapher prägt den Festpielhaus-Entwurf für Bonn

Hermann & Valentiny beugen sich keinem festgelegten Stil - Die Harmonien der Baustoffe

Bonn. Wenn man von Bad Honnef aus durch das malerische Schmelztal zur Autobahn A 3 fährt, muss man freilich irgendwann auch das Industriegebiet von Rottbitze durchqueren. Ein fürwahr ernüchternder Kontrast. Zwischen all den Funktionsbauten, die hier den Weg säumen, fällt allerdings ein Gebäude aus dem Rahmen.

Auch wenn es nur den wenigsten Autofahrern auffallen wird. Es ist das Oval der Galerie Rackey: Eine dicke, eher schmucklose Sichtbetonhaut schirmt das Gebäude regelrecht von der Hauptstraße ab.

Dennoch handelt es sich nicht um einen durch und durch hermetischen Entwurf: Mit seinen zylindrischen "Lichtkaminen" wirkt dieses Oval zunächst wie eine große Skulpur. Auf der Rückseite zeigt das Gebäude dann ein ganz anderes Gesicht: Hier empfängt den Besucher ein Eingangsbereich, der in seinem Zusammenspiel von Glas und Wasser von geradezu kristalliner Schönheit ist.

Der Entwurf der vor sieben Jahren fertiggestellten Galerie stammt von dem Architektenbüro Hermann & Valentiny and Partners. Es ist vor allem in einer Hinsicht ein ganz typischer Bau für das Duo: Er passt sich seiner Umgebung an, nicht wie ein Chamäleon, sondern eher im Sinne eines intensiven Dialogs. Hermann & Valentinys Arbeiten wirken deshalb in ihrem Umfeld - ob Naturlandschaft, Gewerbegebiet oder urbaner Raum - nie als Fremdkörper, sind mithin auch nicht austauschbar.

Die architektonische Idee der Galerie Rackey funktioniert nur an diesem speziellen Ort, genauso wie etwa das Privathaus Marxen in Machtum an der Mosel (Luxemburg), eine auf einem Weinberg thronende, lichtdurchflutete Holzkonstruktion, oder der - nicht realisierte - Entwurf zu einem neuen, unmittelbar am Meer gelegenen Konzerthaus für Stavanger in Norwegen. Wie sich das Haus mit sanftem Schwung vor dem Meer erhebt, das hat schon etwas Erhabenes.

In Salzburg haben Hermann & Valentiny zusammen mit ihrem Wiener Lehrmeister Wilhelm Holzbauer zum Mozartjahr 2006 das Kleine Festspielhaus komplett umgebaut. Das seither als "Haus für Mozart" firmierende, auf Mozarts Opern zugeschnittene Theater fügt sich sensibel, fast zurückhaltend ins Festspielhaus-Ensemble ein. Hier war freilich gerade nicht der kühne architektonische Entwurf gefragt.

In Bonn verfährt man anders. Beethoven begegnet François Valentiny, der sich von seinem Luxemburger Büro aus um das Projekt kümmert, mit einer sehr dynamischen Geste. Das direkte Nebeneinander einer möglichen verbleibenden alten Beethovenhalle und eines neuen Festspielhauses würde sich nach Meinung des Architekten mit Sicherheit zu Ungunsten der neuen Spielstätte auswirken. "Denn das Geheimnisvolle um die Aura von Beethoven und seiner Musik ist nicht teilbar", heißt es in der Konzeptbeschreibung.

Den sehr offenen, skulptural geschwungenen Entwurf nennt Valentiny "Die Welle". "Ein Gebäude für Beethoven kann nicht kantig und geschlossen sein", meint er. Diese Form materialisiert auf sehr plastische Weise die Schwingungen der Musik Beethovens und stellt zugleich eine offensichtliche Reverenz an den Rhein dar.

Unter den beiden Wellenkämmen verbergen sich Kammermusiksaal und großer Saal. Die bislang vielleicht radikalste architektonische Skulptur des Büros Hermann & Valentiny kann man in Trier besichtigen, wo sie 2004 für die Landesgartenschau ihren expressiven "Turm der Träume und Sehnsüchte" errichteten. Auch der Luxemburger Pavillon für die Expo 2010 in Shanghai wird von solch kühnem Schwung geprägt sein.

Der 1955 in Wiener Neustadt geborene Hubert Hermann und der 1953 in dem luxemburgischen Dorf Remerschen zur Welt gekommene François Valentiny haben sich während ihres Studiums bei Wilhelm Holzbauer in Wien kennengelernt. Unmittelbar nach dem Abschluss 1980 gründeten sie zwei Architekturbüros in Wien und Remerschen. Valentiny hat durch zahlreiche Bauten das architektonische Bild seiner Heimat geprägt, wobei er von einem schlichten Schuppen für landwirtschaftliche Maschinen über einen Kindergarten bis zum EU-Informationszentrum in Schengen ein extrem breites Spektrum bedient.

So unterschiedlich wie Remerschen und Wien sind auch die Temperamente der beiden Architekten: Hermann ist eher der Rationale, Valentiny der Emotionale, wie Ingeborg Flagge in ihrem Vorwort zu Lisbeth Waechter-Böhms opulentem Hermann & Valentiny-Bildband schreibt.

Valentiny ist es auch, der ein besonderes Interesse für Kulturbauten entwickelt hat. Was nicht zuletzt in seinem persönlichen Interesse für Oper und Konzert begründet liegt. Seit einiger Zeit entwirft er sogar Bühnenbilder, zuletzt etwa für Camille Saint-Saens' Oper "Samson et Dalila" bei den Antikenfestspielen in Trier.

Ein Zitat des großen amerikanischen Architekten Louis Sullivan, das Lisbeth Waechter-Böhm ihrem Buch beziehungsreich voranstellt, unterstreicht die Nähe des Duos zur Musik und zur Kunst: "Der Architekt ist zuerst und zuletzt immer ein Poet, der Baustoffe verwendet, wie der Maler Farben und der Musiker Töne."

Hermann & Valentinys Entwurf: Plus und MinusDas Büro Hermann & Valentiny hat es mit seinem kühnen Entwurf für das Festspielhaus, der die beiden Konzertsäle mit zwei riesigen Wellen überdacht, unter die Finalisten geschafft. Für den Entwurf spricht die Idee, die Musik Beethovens und den Rhein in der Wellen-Metapher zu vereinen. Hohe Fensterfronten und zahlreiche Galerien versprechen zudem eine einladende, offene Form, sowohl von der Park- als auch von der Rheinseite aus.

Mit der Kapazität von 1 500 Plätzen für den als "Schuhkarton" geplanten Großen Saal und 500 Plätzen für den nach dem Vorbild eines Amphitheaters konzipierten Kammermusiksaal hält sich der Entwurf eng an die Vorgaben. Als Minus könnte sich die Höhe des Bauwerks herausstellen, die das Festspielhaus als allzu massiven Solitär von seiner Umgebung abhebt.

Literatur: Lisbeth Waechter-Böhm: "Codes", Hermann & Valentiny and Partners, Birkhäuser, 479 Seiten, 59,90 Euro

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